Krieg in der Ukraine und in Gaza, autoritärer Staatsumbau in den USA, Machtverschiebungen in der internationalen Ordnung: Angesichts dieser Lage muss Europa künftig stärker selbst für seine Sicherheit sorgen. Zugleich muss die militärische Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas mit langfristigen Strategien zur Friedensschaffung verbunden werden. Dies empfehlen Deutschlands führende Friedensforschungsinstitute in ihrem Friedensgutachten 2025. Unter dem Titel „Frieden retten!“ legt das Gutachten konkrete Empfehlungen für die Innen-, Außen- und Verteidigungspolitik Deutschlands vor.
Das Friedensgutachten 2025 bilanziert, dass sich das weltweite Konfliktgeschehen in den vergangenen Jahren weiter verschärft hat: 2024 waren mehr als 122 Mio. Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Der Krieg in Gaza hat mehr als 53.000 Menschen das Leben gekostet und das Gebiet weitgehend zerstört. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine destabilisiert Europa. Im Sudan herrscht aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen die weltweit größte humanitäre Katastrophe. Das Friedensgutachten 2025 stellt zudem fundamentale Machtverschiebungen in der internationalen Staatenwelt fest und empfiehlt, dass Europa dringend seine sicherheitspolitische Eigenständigkeit stärken muss. Die USA unter Trump bewegen sich in Richtung Autokratie und fallen als globaler Stabilitätsanker aus. Die Polarisierung zwischen dem demokratischen Westen und der autoritären Alliannz um China und Russland schwächt internationale Institutionen und erhöht Konfliktpotenziale.
Militärische Abschreckung und Rüstungskontrolle
Die Trump-Regierung hat die NATO und damit die europäische Sicherheitsarchitektur in eine tiefe Krise gestürzt. Das Friedensgutachten analysiert die Herausforderungen: Die Europäische Union muss Strategien entwickeln, um ihre Verteidigung – vor allem gegen die Bedrohung durch Russland – auf lange Sicht unabhängig von den USA sicherzustellen. Es gilt Lücken in den militärischen Fähigkeiten zu schließen, die Rüstungsbeschaffung zu europäisieren und gemeinsame Verteidigungsstrukturen auszubauen. Ziel muss es sein, sich mit Abschreckung, militärischen Fähigkeiten und Allianzbildung gegen militärische Bedrohungen zu wehren und künftige zu verhindern. Parallel jedoch müssen Rüstungskontrolle und diplomatische Initiativen dafür sorgen, dass Konflikte nicht eskalieren.
Achtung, ansteckend: Warum Trumps Politik die Demokratie in Deutschland und Europa gefährdet
Das Friedensgutachten analysiert, wie sich der radikale Politikwechsel unter US-Präsident Trump auf die Demokratie in Deutschland und Europa auswirkt. Es drohe eine „autoritäre Ansteckung“ durch Trumps Politik der Einschüchterung, seine Verachtung von Regeln und seine Versuche, Macht jenseits von Recht und Institutionen durchzusetzen, warnt das Friedensgutachten 2025. Für die europäischen Demokratien gilt jetzt umso mehr: die eigenen liberalen Werte zu verteidigen, sich der Beeinflussung von Wahlen von außen entgegenzustellen und Desinformation zu bekämpfen.
Europa steht nicht allein: Neue Allianzen für eine regelbasierte Weltordnung
Die aktuelle Lage erfordert eine starke Gegenreaktion Europas in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dazu ist es erforderlich, dass die EU sich auf gemeinsame Positionen verständigt. Zusätzlich muss Europa nach internationalen Partnern suchen, um die Errungenschaften der multilateralen, auf Regeln basierenden Ordnung zu schützen und voranzutreiben. Dazu gehören Freihandel, kollektive Sicherheit und der Schutz des Klimas. Neue Partnerschaften können außerdem dazu beitragen, die zunehmende Polarisierung der Staatenwelt in gegnerische Lager abzumildern und Konflikte einzuhegen.
Deutschlands Glaubwürdigkeit: Das Völkerrecht verteidigen!
Die Kriege in der Ukraine und in Gaza haben in drastischer Weise die Dehumanisierung der Kriegsführung in der Gegenwart vor Augen geführt, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Kernnormen des Völkerrechts und Menschenrechte werden massiv verletzt. Die Autor*innen des Friedensgutachtens appellieren an die deutsche Politik, das Völkerrecht zu schützen, es selbst einzuhalten und die Neutralität der humanitären Hilfe zu verteidigen. Der internationalen Gerichtsbarkeit, wie etwa dem Internationalen Strafgerichtshof, kommt beim Erhalt einer tragfähigen multilateralen Friedensordnung eine wichtige Rolle zu, die nicht von politischen Interessen vereinnahmt werden darf.
„Vergessener“ Konflikt im Sudan: Internationale Vorstöße unzureichend
Während die Kriege in der Ukraine und in Gaza die mediale und politische Aufmerksamkeit auf sich ziehen, werden andere Kriege kaum beachtet. Im Sudan hat ein solcher Konflikt eine beispiellose humanitäre Krise ausgelöst. Seit Kriegsbeginn im April 2023 starben mindestens 125.000 Menschen, über 24 Mio. Menschen sind von akutem Hunger bedroht, mehr als 12 Mio. Menschen sind auf der Flucht. Die Kriegsparteien erhalten externe Unterstützung von Drittstaaten und anderen externen Akteuren in Form finanzieller Hilfen. Sie profitieren vom illegalen Waffen- und Rohstoffhandel. Das Friedensgutachten hält es deshalb für dringend geboten, dass Deutschland sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, die Wirtschaftssanktionen auszuweiten sowie den internationalen Goldhandel und Waffenlieferungen stärker zu regulieren. Zudem sollen vor Ort zivilgesellschaftliche Akteure, wie die „Emergency Response Rooms“, unterstützt werden, die schon in der Vergangenheit für Stabilität gesorgt haben und den Frieden voranbringen wollen.
Humanität und faire Lastenverteilung in der europäischen Flüchtlingspolitik
Kriege und Gewalt in ihren Heimatstaaten zwingen Menschen zur Flucht. Insbesondere rechte Parteien instrumentalisieren diesen Umstand, um Ängste – beispielsweise vor steigenden Kriminalitätsraten – zu schüren. Das Friedensgutachten zeigt, dass diese durch Fakten nicht belegbar sind. Es empfiehlt, in die Integration von Flüchtlingen zu investieren statt in die deutlich kostenintensivere Infrastruktur für Abschiebungen und Grenzsicherungen. Innerhalb der EU soll sich die Bundesregierung für eine solidarische Einwanderungs- und Verteilungspolitik einsetzen. Das individuelle Recht auf Schutz vor Verfolgung und der Bedrohung des Lebens muss aufrechterhalten werden.
Hier finden Sie den Text der Pressemitteilung vom 02.06.2025 als pdf-Download.
Der Fernsehsender Phoenix hat die Bundespressekonferenz am 2. Juni 2025 live übertragen. Den Mitschnitt finden Sie in der Mediathek des Senders.
Die zentralen Empfehlungen der deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute an die Bundesregierung sowie das vollständige Friedensgutachten mit ausführlichen Informationen, Zahlen und Einschätzungen finden Sie unter www.friedensgutachten.de.
Pressekontakt
Barbara Renne
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH)
renne@ ifsh.de
Telefon +49 40 86 60 77 50
Veranstaltungen
Im Anschluss an die Bundespressekonferenz stellen die Institute das Friedensgutachten im Bundeskanzleramt, im Bundespräsidialamt, in den Ministerien und Fraktionen vor. Am 3. Juni ab 18 Uhr lädt die Evangelische Akademie zu Berlin zur Diskussion des Friedensgutachtens zu einem Abendforum in das Haus der EKD, Charlottenstr. 53/54, 10117 Berlin, ein. Informationen zu dieser und weiteren Veranstaltungen finden Sie auf der Webseite des Friedensgutachtens www.friedensgutachten.de.
Über das Friedensgutachten und die herausgebenden Institute
Das Friedensgutachten ist die jährlich erscheinende Publikation des Bonn International Centre for Conflict Studies (bicc), des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen und des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF). Die führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute analysieren darin seit 1987 aktuelle internationale Konflikte, zeigen Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und geben klare Empfehlungen für die Politik. Interdisziplinäre Autor:innenteams arbeiten gemeinsam an den Kapiteln und bringen verschiedene Blickwinkel ein.
Das Friedensgutachten erscheint im transcript-Verlag. Die digitale Version (ISBN: 978-3-8394-2385-1) ist kostenfrei zugänglich (open access) unter https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6939-8/friedensgutachten-2025/ sowie auf www.friedensgutachten.de. Die Printversion (ISBN: 978-3-8376-6939-8) ist im Buchhandel für 15 Euro erhältlich
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