Anfang Oktober wird das Nobelpreiskomitee bekannt geben, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis bekommen wird. Prof. Dr. Michael Brzoska, ehemaliger Direktor des IFSH, mit einer Prognose und Einschätzung, wer in diesem Jahr preiswürdig wäre:
„Der Friedensnobelpreis wurde für Verdienste ‚für die Verbrüderung der Völker‘ gestiftet. Auch im vergangenen Jahr der Unfriedlichkeit in vielen Weltregionen gab es wieder zahlreiche Bemühungen, aktuelle Konflikte zu beenden. Aber das Komitee in Oslo, das über die Vergabe des Preises entscheidet, könnte es für wichtiger halten internationale Institutionen des Völkerrechts zu würdigen. Aktuell geraten diese zunehmend ins Abseits der großen Politik und die fünf Mitglieder des Komitees könnten versuchen, hier ein Zeichen zu setzen.
Ein Favorit für den Friedensnobelpreis 2025 ist daher der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Als unabhängige Organisation verfolgt er einzelne Personen für schwerste internationale Verbrechen wie Völkermord und Kriegsverbrechen. Damit leistet er einen wichtigen Betrag zur Stärkung des Internationalen Rechts.
Die aktuellen Verfahren gegen Wladimir Putin als Hauptverantwortlicher für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und gegen Israels Premierminister Benjamin Netanyahu zeigen, dass die Ankläger:innen des IStGH Recht auch gegen mächtige Politiker durchsetzen wollen. Entsprechend heftig werden sie angefeindet, zum Beispiel durch die Regierung der USA, die gegen einzelne von ihnen Sanktionen verhängt hat.
Weniger kontrovers wäre die Auszeichnung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), der ebenfalls in Den Haag ansässig ist. Als Hauptorgan der UN verhandelt der IGH Streitigkeiten zwischen Staaten. Er ist für die Einhaltung von internationalen Verträgen zuständig und erstellt Rechtsgutachten für die UN.
Auch wenn die mächtigsten Staaten der Welt sich der Rechtsprechung des IGH nicht unterworfen haben, hat das Gericht in zahlreichen Streitfällen seine Bedeutung für die internationale Rechtsordnung deutlich gemacht. Aktuell gilt das vor allem für das Verfahren zur Frage eines mutmaßlichen israelischen Völkermordes im Gaza-Streifen.
Mehrfach sind in der Vergangenheit hohe Offizielle der Vereinten Nationen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Der scheidende Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, gehört nicht zu erfolgreichsten Friedensstiftern, aber er war auch in besonders schwierigen Zeiten im Amt. Das Nobelpreiskomitee könnte bemüht sein, Guterres stetiges Bemühen um Relevanz für die Vereinten Nationen in der wachsenden Zahl internationaler Konflikte zu würdigen.
Ein Name, der im Zusammenhang mit dem Friedensnobelpreis 2025 immer wieder fällt, ist der von US-Präsident Donald Trump. Zahlreiche Politiker:innen und einzelne Regierungen würden ihnen gerne als Friedensnobelpreis-Kandidaten vorschlagen.
Allerdings dürften Trumps Chancen auf den Preis vor allem angesichts seiner Haltung zum Gaza-Krieg gering sein. Zudem hat das Nobelkomitee in der jüngeren Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Auszeichnung von amtierenden Staatsführern gemacht, wie zuletzt beim äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy.
Das dürfte auch die Chancen für andere hochrangige Vermittler deutlich mindern, wie den Premierminister Qatars, Sheikh Mohammed, der in den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas eine zentrale Rolle hatte, oder den Vorsitzenden der rechten türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung, der den türkisch-kurdischen Friedensprozess initiiert hat.
Größere Chancen dürften Nicht-Regierungsorganisationen haben, die sich um Versöhnung zwischen verfeindeten Gruppen bemühen. Aktuell könnte dabei das Augenmerk des Komitees vor allem auf Israel und Palästina liegen, und damit auf der Organisation B‘Tselem, The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, die Kriegs- und Menschenrechtsverstöße dokumentiert. Auch die israelisch-palästinensische Organisation Palestinian-Israeli Bereaved Families Forum, die von Eltern gegründet wurde, deren Kinder Opfer von Gewalt geworden sind, wäre preiswürdig.“
Friedensnobelpreis-Favoritenliste Prof. Dr. Michael Brzoska 2025:
- Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag
- Internationaler Gerichtshof in Den Haag
- UN-Generalsekretär Antonio Guterres
- B’Tselem (NGO)
- Palestinian-Israeli Bereaved Families Forum (NGO)
Prof. Dr. Michael Brzoska ist Senior Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH). Von 2006 bis 2016 war er Wissenschaftlicher Direktor des IFSH.
Für Interviewanfragen kontaktieren Sie Herrn Prof. Dr. Brzoska bitte über brzoska@. ifsh.de
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