Einer der profiliertesten deutschen Militärexperten und Friedensforscher ist in der Nacht vom 1. zum 2. Oktober gestorben. Otfried Nassauer hat über vier Jahrzehnte die Diskussionen über die aktuelle deutsche und internationale Militär- und Sicherheitspolitik geprägt. Der Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) war gefragter Interviewpartner der Medien. Zudem arbeitete Nassauer selbst als Autor, schrieb Gastbeiträge für Zeitungen, Zeitschriften und den Hörfunk. Vor allem aber profitierten Politik, Medien und Friedensbewegung von Nassauers profunden Recherchen, Gutachten und fachlicher Beratung. Auch für das IFSH war er über Jahrzehnte intellektueller Sparringspartner und gern gesehener Gast in Seminaren und auf öffentlichen Veranstaltungen.
Otfried Nassauer brannte für das, was er tat. Ihn interessierten Fragen rund um das Militär, um Krieg und Frieden. In der Zeit des Kalten Krieges setzte er sich vor allem mit Atomwaffen auseinander. Später kam ein breites Spektrum an Themen rund um die Bundeswehr hinzu. Zuletzt beschäftigen ihn vor allem die deutschen Rüstungsexporte mit all ihren Ungereimtheiten und Dunkelzonen.
Ein Ausdruck seines Engagements war auch seine Offenheit. Otfried Nassauer suchte das Gespräch mit allen, hatte viele und enge Kontakte in der Friedensbewegung und Friedensforschung, in der Politik, in den Medien und in den Streitkräften. Dabei scheute er sich nie, offen seine Meinung zu sagen. Und häufig stand er der offiziellen Politik kritisch gegenüber. Otfried Nassauer hatte keine Berührungsängste, auch nicht bei den Methoden seiner Informationsbeschaffung. Legendär war sein unorthodoxer Vorschlag an Friedensaktivisten, Papiermülltonnen in der Nähe von Standorten zu durchsuchen. Verschlusssachen fand er immer besonders interessant, aber eigentlich galt das für jede Form von Information.
So häufte er neben Papierbergen im BITS-Archiv in Berlin gleichzeitig auch ein enzyklopädisches Wissen an. Otfried Nassauer war ein wandelndes Lexikon für Militärtechnik, Streitkräfte und Rüstungsexporte. Seine Neugier trieb ihn an, stets hatte er neue Ideen für weitere Recherchen, entdeckte neue Dokumentenbestände und erweiterte seine Expertise. Dieses Wissen wurde ständig und gerne von vielen angezapft, aber er teilte es auch gerne - oft ohne dafür angemessen honoriert und bezahlt zu werden.
Engagement für die Dinge, die ihm wichtig waren, ging Otfried Nassauer über persönliche Anerkennung und materielle Vergütung. Er war vor allem an Aufklärung interessiert, daran, andere in Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft und Politik zu befähigen, offizielle Darstellungen und Positionen ebenso kritisch zu hinterfragen, wie er es selber tat.
Wir werden Otfried vermissen.