Afghanistan-Einsatz: Mahnungen der Experten wurden nicht gehört

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Die jüngsten Ereignisse in Afghanistan kamen für viele überraschend. Dabei hatten Friedensforscher bereits wenige Jahre nach dem Einmarsch der internationalen Truppen gewarnt: die Erwartungen des Westens sind zu hoch, seine Maßnahmen für den Staatsaufbau zu wenig durchdacht.
Denn nach anfänglichen Erfolgen hatte sich Mitte der 2000er Jahre die Sicherheitslage in Afghanistan wieder verschlechtert. Dr. Hans-Georg Ehrhart und Roland Kaestner mahnten schon damals eine Korrektur der Afghanistan-Strategie an. In ihrem Aufsatz von 2008 „Afghanistan: Scheitern oder Strategiewechsel“ zeigen sie auf, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.

In dem Papier analysieren sie, warum die hehren Ziele des Westens kaum zu erreichen sein werden: Tribale Strukturen, eine hohe Analphabet*innenrate, keine Wirtschaftskraft, dafür ausgeprägte Korruption, eine extrem hohe Geburtenrate und Armut. All diese Faktoren machten es äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, aus Afghanistan eine marktwirtschaftlich orientierte Demokratie zu machen. „Offensichtlich geht der strategische Ansatz der internationalen Gemeinschaft an der realen Situation in Afghanistan vorbei“, hielten die beiden Autoren damals fest. Sie empfahlen, dass sich die westliche Staatengemeinschaft von ihren visionären Vorstellungen verabschieden und stattdessen pragmatischere und erreichbarere Ziele setzen solle. Die Appelle der Friedensforscher von 2008 blieben ungehört. Seit Mitte August ist Afghanistan wieder in der Hand der Taliban.


Hans-Georg Ehrhart/Roland Kaestner: Afghanistan: Scheitern oder Strategiewechsel? In: Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. 2008.