IFSH-Pressemitteilung und tagesschau-Interview zur Militärparade in Moskau

Dr. Alexander Graef

Die größte Militärparade in der russischen Geschichte. (c) AFP

Mit einer großen Militärparade feiert Russland heute seinen Sieg über Hitlerdeutschland vor 75 Jahren. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Großveranstaltung nicht am eigentlichen Gedenktag im Mai stattfinden können. Nun rollen heute symbolisch die Panzer über den roten Platz. Russland zeigt, was sein Militär zu bieten hat. Erst vor wenigen Tagen hatte Präsident Wladimir Putin die neue Nuklearstrategie Russlands unterzeichnet. Das Dokument skizziert unter anderem, was Russland zum Einsatz von Nuklearwaffen veranlassen könnte. Dazu eine Einschätzung von IFSH-Russlandexperte Dr. Alexander Graef:


„Die Veröffentlichung der ‚Grundlegenden Prinzipien der Nuklearen Abschreckung‘ ist ein politisches Novum. Zum ersten Mal macht Moskau öffentlich genauere Angaben zur militärischen Bedeutung von Nuklearwaffen und deren Einsatzmodi. Bislang hatte die russische Regierung solche Strategiepapiere immer unter Verschluss gehalten. Die
‚Prinzipien‘ enthalten Altbekanntes. Dazu zählt etwa der Einsatz von Atombomben als Antwort auf einen Angriff mit Massenvernichtungswaffen oder auch mit konventionellen Waffen, sofern dadurch die Existenz des Staates bedroht wird.

Neu ist hingegen die Möglichkeit, dass Nuklearwaffen bereits dann eingesetzt werden könnten, wenn Russland zuverlässige Daten über den Abschuss von ballistischen Raketen und damit über einen sich bereits vollziehenden Angriff erhält. Diese Strategie wird auch als ‚Launch on Warning‘ bezeichnet. Es ist eine klassische Einsatzvariante, wie sie im Kalten Krieg entwickelt wurde.
Wirklich interessant ist aber vor allem das Argument, dass Russland einen Einsatz auch bei einem Angriff auf kritische zivile und militärische Infrastruktur vorsieht, sofern deren Zerstörung die Möglichkeit eines nuklearen Zweitschlags untergraben würde. Zwar werden die eigentlichen Ziele nicht näher bestimmt, gemeint sind wohl aber nukleare Kommando-, Kontroll- und Kommunikationssysteme, darunter auch Satelliten und Radaranlagen. Dies ist eine neue Variante, die letztlich auch nicht ausschließt, dass Russland auf einen Cyberangriff mit einem Nuklearschlag reagiert. Eine gezielte nukleare Einsatzstrategie, um regionale, konventionelle Kriege zu beenden, wie sie in der NATO unter dem Stichwort ‚Escalate to de-escalate‘ figuriert, findet sich hingegen nicht.“


Dr. Alexander Graef ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFSH und arbeitet im Forschungs- und Transferprojekt
„Rüstungskontrolle und neue Technologien“.

Die IFSH-Pressemitteilung lesen Sie hier.

Im Interview mit der ARD-tagesschau erläutert Alexander Graef die Hintergründe der großen Militärparade in Moskau.