In der russischen Deutungselite findet eine Debatte über die Möglichkeit eines nuklearen Erstschlags gegen den Westen statt. Im Interview mit dem Nachrichtenportal Web.de erklärt Dr. Tobias Fella, warum diese Debatte vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs gerade jetzt stattfindet und wie den Risiken, die mit ihr einhergehen, zu begegnen ist.
Einleitend stellte der Friedensforscher heraus, dass Diskussionen über das Für und Wider eines nuklearen Erstschlags bereits für sich genommen ein Krisensymptom darstellen, das nicht als bloße Rhetorik abgetan werden dürfe. Dabei wies er auf Positionen aus dem US-Senat hin, dass ein russischer Einsatz von taktischen Nuklearwaffen auch außerhalb des NATO-Territoriums als Angriff auf die Allianz zu werten sei, wenn die Konsequenzen das Bündnisgebiet erreichen. Ferner unterstrich er, dass die rhetorischen Verschärfungen und die angekündigte Stationierung russischer Nuklearwaffen in Belarus auch als Versuch interpretiert werden könnten, die ukrainische Gegenoffensive einzuhegen, den kommenden NATO-Gipfel in Vilnius zu beeinflussen und eine Unterminierung Lukaschenkos durch das Ausland abzuschrecken.
Laut Fella erfolgt für den Westen aus der Gemengelage ein Drahtseilakt bei der Unterstützung der Ukraine, einerseits die russische Eskalationsbereitschaft nicht zu unterschätzen, weil dies in eine Katastrophe münde könnte, und andererseits nicht zu überschätzen, um den Kreml nicht die Erreichung seiner Ziele zu erleichtern.
Den Artikel "Experte über russische Nukleardebatte" vom 29.06.23 auf Web.de finden Sie hier.