Von Dr. habil. Cornelius Friesendorf und Dr. Wolfgang Zellner
Vor drei Jahren marschierten russische Truppen Richtung Kyjiw. Seitdem lebt die ukrainische Bevölkerung in einem Zustand des Terrors, Russland bombardiert Krankenhäuser, hat in den besetzten Gebieten ein Folter-Regime errichtet und wird im eigenen Land immer faschistischer. Der geplante Deal Trumps mit Putin hat die Lage nun dramatisch verändert, auch für Deutschland. Die neue Bundesregierung muss die Militärhilfe an die Ukraine wesentlich aufstocken und dies öffentlich begründen. Schließlich werden Populist:innen argumentieren, dass ein Deal Waffenhilfe unnötig mache.
Moskau triumphiert
Für den Kreml geht mit Trumps Vorstoss ein Traum in Erfüllung. Moskau kann direkt mit den USA verhandeln, die Ukrainer dürften eine nachgeordnete Rolle erhalten; das erinnert an das Münchener Abkommen von 1938, bei dem Frankreich, Großbritannien, Italien und Nazi-Deutschland entschieden, dass die Tschechoslowakei das Sudentenland an Deutschland abtreten müsse. Die Tschechoslowakei war zu der Konferenz damals nicht eingeladen worden.
Die Ukraine soll nicht NATO-Mitglied werden – dies vor den eigentlichen Verhandlungen aufzugeben ist ein fundamentaler Fehler von einem, der sich für sein deal-making rühmt. Vor allem darf sich Moskau darüber freuen, dass sich die USA von Europa abkoppeln – ein zentrales Ziel schon zu Sowjetzeiten.
Weder gerecht noch stabil
Dies wird eher ein Diktatfrieden und kein gerechter Frieden sein. Und der geplante Deal wird keinen stabilen Frieden produzieren. Die Forschung über Motive russischer Sicherheitspolitik deutet darauf hin, dass ein Interessenausgleich, der Russlands territorialen Revisionismus beendet, mit diesem Kreml nicht möglich ist.
Ein zentrales Motiv russischer Eliten ist der Anspruch, dass Russland als Großmacht anerkannt wird. Trump entspricht diesem imperialistischen Wunsch nun. Das bedeutet ein Spiel mit der Souveränität der Ukraine und eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert, als nur Großmächte zählten. Ein weiteres Motiv ist Regimestabilität. Die Putin-Kleptokratie kann keine demokratische und funktionierende Ukraine dulden, da ihre Strahlkraft die Regimestabilität in Russland gefährden würde. Ein drittes Motiv ist die umfassende russische Bedrohungswahrnehmung, die auch massive US-Zugeständnisse (wie die Neutralisierung der Ukraine) nicht beenden würde. So geht der Wunsch nach strategischer Tiefe über die Ukraine hinaus, wie die Forderungen Russlands an die USA und NATO 2021 zeigten.
Zu diesen Triebkräften des russischen Revisionismus kommt die empirische Erfahrung, dass Russland kein verlässlicher Partner ist. So könnte der Kreml nach einem Waffenstillstand oder Friedensvertrag seine Kommandeure anweisen, eine internationale Friedenstruppe durch Provokationen oder Angriffe zu testen. Falls Soldaten aus NATO-Staaten an einer Friedenstruppe beteiligt sein sollten, würde das direkte Kämpfe zwischen diesen und russischen Soldaten bedeuten.
Der Deal und Deutschland
Was bedeutet die toxische Ähnlichkeit in den Weltsichten des Kreml und des Weißen Hauses für die neue Bundesregierung? Vor allem viel mehr deutsche Militärhilfe für die Ukraine. Das Ziel muss sein, die Ukraine so zu stärken, dass sie weitere Angriffe Russland konventionell abschrecken oder diesen standhalten kann. Konventionelle Befähigung durch europäische Staaten ist die beste von allen schlechten Sicherheitsgarantien – nachdem eine NATO-Mitgliedschaft vom Tisch ist, die USA ihre Militärhilfe stoppen könnten und Putin einen Friedensvertrag nach einer Konsolidierung der russischen Streitkräfte zu brechen versucht sein dürfte.
Die deutsche Unterstützung der Ukraine sollte Teil einer Strategie gegen Russland sein, die Deutschland mit europäischen Partnern (insbesondere Großbritannien, Frankreich, Polen, den baltischen und skandinawischen Staaten) innerhalb der NATO entwickelt. Der Versuch, dies auf EU-Ebene zu tun, dürfte scheitern – nicht zuletzt, da EU-Mitglieder wie Ungarn willige Helfer Russlands sind.
Allerdings wird Aufrüstung sehr teuer. Schließlich geht es nicht nur um die Ukraine, sondern auch darum, einen russischen Angriff auf NATO-Gebiet konventionell abzuschrecken. Nötig werden Verteidigungshaushalte in dreistelliger Milliardenhöhe sein. Das bedeutet Sondervermögen oder die Aufhebung der Schuldenbremse.
Populistische Parteien werden das propagandistisch ausschlachten. Dabei bedeutet Trumps Deal nicht, dass nun alles gut sei, sondern dass Deutschland umso mehr gefordert ist, die Ukraine und NATO-Europa militärisch zu stärken. Um der AfD und dem BSW nicht das Feld zu überlassen, muss die neue Bundesregierung erklären, warum es in einer existentiellen Notlage gerechtfertigt ist, auch die nächste Generation finanziell zu belasten. Bequeme Lösungen gibt es im Umgang mit einer revisionistischen Atommacht nicht.
Dr. habil. Cornelius Friesendorf ist Wissenschaftlicher Referent und Leiter des Zentrums für OSZE-Forschung (CORE) am IFSH.
Senior Research Fellow Dr. Wolfgang Zellner war bis 2019 Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor und Leiter des Zentrums für OSZE-Forschung (CORE) am IFSH.