Sie haben aktuell (wieder) Hochjunktur – Verschwörungstheorien: Erzählungen, die jeglicher nachprüfbaren Faktengrundlage entbehren und sich sogar bewusst von dieser abgrenzen. Was veranlasst Menschen dazu, selbst an noch so bizarre Verschwörungstheorien zu glauben? Wie kann es sein, dass Leute, die Rechtsextremismus eigentlich ablehnen, nun scheinbar problemlos deren Narrative übernehmen und während Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen Seite an Seite mit Rechten und anderen Verfassungsfeind*innen demonstrieren? Und ganz praktisch: Warum ist es sinnlos, sich mit Verschwörungstheoretiker*innen auf Faktendiskussionen einzulassen? Diese und andere Fragen haben Expert*innen nun während der Online-Diskussion „Verschwörungstheorien und gesellschaftliche Konflikte“ erörtert. Die Veranstaltung fand am 24. Januar 2022 in Kooperation mit dem Museum der Arbeit in Hamburg statt.
Josef Holnburger berichtete von seiner wissenschaftlichen Arbeit am Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das Verschwörungsideologien untersucht. Christine Hentschel, Soziologin und Professorin für Kriminologie an der Universität Hamburg, teilte mit den rund 100 Zuschauer*innen der Veranstaltung ihre Erlebnisse bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen und gab Gesprächsinhalte mit Coronaleugner*innen wieder. Tobias Meilicke ist Mitarbeiter einer Beratungsstelle der Veritas für Opfer und Betroffene von Verschwörungserzählungen und richtete den Fokus auf die menschlichen Schicksale und den hohen Leidensdruck der Opfer und Betroffenen. Torsten Fock-Herde, selbst einmal vor vielen Jahren Anhänger einer „Millenium“-Verschwörungstheorie, berichtete anschaulich über seine persönlichen Erfahrungen und erläuterte, welche perfiden Mechanismen und auch kommerziellen Interessen hinter Verschwörungstheorien stecken.
Die Panel-Teilnehmer*innen kamen überein, dass es keine zufriedenstellenden Antworten auf die mannigfaltigen Herausforderungen gebe, vor die Verschwörungstheorien und ihre Anhänger*innen die Gesellschaft sowie die unmittelbaren Opfer und Betroffenen stelle. Unter anderem fehlten Datengrundlagen für die wissenschaftliche Erforschung des Themas. Vor allem aber gäbe es zu wenig Beratungsangebote und -stellen für Opfer und Betroffene. Chaträume zu verbieten, in denen sich Verschwörungstheoretiker*innen zusammenfinden und gegenseitig bestärken, würde zu kurz greifen, so die Expert*innen.
Die Audioaufzeichnung der Diskussion anhören
Die Veranstaltung gehört zum Rahmenprogramm der Ausstellung "Konflikte" des Museums der Arbeit in Hamburg. Die Ausstellung läuft noch bis mindestens Mai 2022. Weitere Infos über die Ausstellung gibt es hier.