38 Jahre Zeitgeschichte im Spiegel der Zeitschrift S+F
Entwicklung und Selbstverständnis
Die Entstehungsgeschichte der Zeitschrift „S+F. Sicherheit und Frieden. Security and Peace“ ist eng mit dem damaligen Zeitgeschehen verknüpft. Der Wandel der Herausgeberkreise und die jeweiligen politischen Herausforderungen führten zu unterschiedlichen Konzeptionen und Schwerpunkten.
Der damalige stellvertretende Direktor des IFSH, Dieter S. Lutz, gründete die Zeitschrift in Zusammenarbeit mit dem Nomos-Verlag im Jahr 1983. Der Grundgedanke der Publikation spiegelte sich in dem ganzen Lebenswerk von Lutz wider. Er wollte „friedenswissenschaftliche Erkenntnisse politikfähig [machen]“. Für ihn waren Friedensforschung und die klassische Sicherheitspolitik zwei Seiten derselben Medaille, konnten nur gemeinsam weiterentwickelt werden“, wie Ottfried Nassauer in der Würdigung von Lutz’s Lebenswerk einmal pointiert zusammenfasste.
Die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Friedensforschung und Sicherheitspolitik – zwischen friedensbewegten und sicherheitspolitischen Akteur*innen, zwischen Militärs und Zivilist*innen, zwischen Wissenschaftler*innen, Öffentlichkeit und Politiker*innen, sollte konstruktiv ausgetragen werden. Deutlich wird dieser Aufklärungsgedanke im Leitbild der Zeitschrift formuliert: Kontroversen sollen sachlich geführt, Vorurteile und Berührungsängste abgebaut, der Weg für eine verbesserte Entscheidungsfindung geebnet werden.
Vieles von dem ursprünglichen „Mission Statement“ trifft noch heute zu: S+F ist noch immer ein Forum zur Diskussion von Forschungsergebnissen im Bereich Friedens- und Sicherheitspolitik, wendet sich an eine engagierte Öffentlichkeit, an militärische und wissenschaftliche Expert*innen und Praktiker*innen.
Was zu Gründungszeiten noch als gewagter Spagat und vielleicht sogar als Utopie erschien, etablierte sich innerhalb von 38 Jahrgängen in der Publikationslandschaft. Bis heute gibt es keine Zeitschrift mit einem vergleichbaren Profil als deutsche Fachzeitschrift für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. S+F ist Forum für die Kommunikation, den Austausch zwischen Wissenschaft und der Politik, zwischen ziviler Gesellschaft und Streitkräften, in dem Analyse, Insider*innenberichte, Standortbestimmung und Einschätzung Platz haben. Veröffentlicht wurden Beiträge, die zu nationalen und internationalen Diskussionen der Sicherheitspolitik und Friedensforschung, zu naturwissenschaftlichen Aspekten der Rüstungskontrolle bis hin zu Fragen der Nationenbildung in Nachkriegsgesellschaften beitrugen. Jedes Heft von S+F ist einem Schwerpunktthema gewidmet. Daneben werden aber auch Texte von allgemeinem Interesse für Sicherheitspolitik und Friedensforschung veröffentlicht.
Die Länge der Beiträge hat dazu geführt, dass die Artikel nicht nur in der Wissenschaft rezipiert, sondern auch gerne in der Lehre eingesetzt werden.
Die verschiedenen Herausgeber*innen nutzen die Themenschwerpunkte allerdings auch zum „agenda setting“. Die Autoren*innen entstammen unterschiedlicher Denkschulen, Disziplinen und Institutionen bzw. Praxisfeldern. Sie kommen aus der Politik, der Bundeswehr, aus internationalen Organisationen, NGOs, Think Tanks oder aus den Medien. Die Zeitschrift hat sowohl Promovierenden, Post-Docs als auch Professor*innen und Praktiker*innen eine Stimme gegeben.
Abbildungen des ersten Covers und des Cover-Designs seit 2004
Themenschwerpunkte
Die Zeitgeschichte spiegelt sich auch in den Themen von S+F wieder. Mal waren die Beiträge am Puls der Zeit, mal haben sie vorausschauend Themen gesetzt, etwa bei der Diskussion um die Aussetzung der Wehrpflicht. Diese wurde bereits 1995 in einer unserer Ausgaben zum ersten Mal erwähnt, bis sie dann 2011 politisch umgesetzt wurde. Andere Beispiele sind das frühe Aufgreifen von Themen wie Cybersicherheit / Information Warfare (2000).
Weitere Themenschwerpunkte beleuchteten das Thema „Frieden“ aus den unterschiedlichsten Perspektiven, etwa aus Sicht der Friedensbewegung, der Friedensforschung oder der Friedenserziehung etc. Auch die Entwicklung der Bundeswehr wurde kritisch begleitet mit Beiträgen zu ihren diversen Reformen und Transformationen und ihren Auslandseinsätzen.
Zu weiteren Themenschwerpunkten der einzelnen Ausgaben zählten außerdem die Rüstungs-kontrolle, der Terrorismus und die Debatten um die Ordnungsvorstellungen von Frieden und Sicherheit. Neben innerdeutschen Fragestellungen wie der Wiedervereinigung oder dem Untergang des Ostblocks standen auch immer wieder die Regionen und Organisationen im Fokus, die für den Diskurs in Europa von besonderer Relevanz waren: EU, OSZE, VN, NATO bzw. Balkankriege, Entwicklungen in Südosteuropa, Kriege in Irak und Afghanistan, Pazifik, Asien, USA, Sowjetunion/Russland, Nahost, Afrika, Arktis bis hin zu Themen wie Demokratisierungsprozesse, Klimawandel, Geo-Engineering, Gender, Migration, Populismus oder der Einfluss neuer Technologien.
Abschied
Es ist dem Wandel der Publikationslandschaft geschuldet, dem allgemeinen Zeitschriftensterben in einem hart umkämpften internationalen Markt und der Umstellung auf frei verfügbare digitale Formate, der dazu geführt hat, dass sich S+F lieber freiwillig gut aufgestellt verabschiedet als irgendwann dazu gezwungen zu sein. Bisher gibt es keine vergleichbare Fachzeitschrift, die in diese thematische Lücke stößt und dasselbe Forum bietet.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung von:
Patricia Schneider (unter Mitarbeit von Isabel Billmeier): Ein Blick von innen – die Entwicklung von S+F. In: S+F. Sicherheit und Frieden. Security and Peace, 38. Jg., 4/2020, S. 228-234.
Sie finden viele freie Titel in unserem Jubiläumsheft S+F 4/2020!
Open access zugänglich sind:
Sicherheit und Frieden – Neubestimmung eines alten Verhältnisses
Sabine Jaberg
Graf Baudissins Konzept der Inneren Führung: notwendiger denn je!
Hans-Georg Ehrhart
Öffentlichkeit und Partizipation in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik
Anna Geis
Polarisierung oder Normalisierung? Die Politisierung der Sicherheit und ihre Folgen für demokratische Politik
Hendrik Hegemann
Democratising security in turbulent times: an infrastructural lens
Christine Hentschel und Ursula Schröder
Dilemmas of European Migration Policies: Failure of Sea Rescue in the Mediterranean or Successful Externalization of Borders?
Patricia Schneider