Ein „Terrorplot“ des Iran?

Das im Oktober bekannt gewordene, mutmaßlich vom Iran aus geplante Mordkomplott gegen den saudischen Botschafter in den USA ist von amerikanischen Medien, Politikern und Behördenvertretern zu verschiedenen Gelegenheiten mit dem Begriff „Terrorismus“ belegt worden. Die New York Times und CNN titelten ihre Berichte mit „Terror Plot“. Präsidentschaftsbewerber Herman Cain nutzte die Gelegenheit, Präsident Obama als Schwächling darzustellen: „Weil die Iraner ihn als schwachen Präsidenten sehen, haben sie ihre Finger mit in diesem Terrorplot.“ Aber auch Außenministerin Hillary Clinton brachte den Begriff Terrorismus ins Spiel, als sie feststellte, der Iran habe eine Linie in seiner Unterstützung des Terrorismus überschritten. David S. Cohen, Under Secretary for Terrorism and Financial Intelligence, sprach von einem Akt des internationalen Terrorismus. Die Staatsanwaltschaft wirft den Hauptverdächtigen, Manssor Arbabsiar, ein Amerikaner iranischer Herkunft, und Gholam Schakuri, ein Iraner, der Mitglied der Al-Quds-Brigaden sein soll, ein „Terrorkomplott“ vor. Das US-Außenministerium veröffentlichte zudem eine weltweite Terrorwarnung mit dem Hinweis, dass der Vorfall auf eine gewachsene Bereitschaft der iranischen Regierung hindeuten könnte, terroristische Anschläge zu fördern.

Nun haben amerikanische Regierungsstellen zwar offenbar einige handfeste Beweise für den genannten Plot. Justizminister Eric Holder etwa hat auf eine Vorschusszahlung von 100.000 Dollar an einen Informanten der Drogenfahndung DEA hingewiesen, der vorgegeben hatte, Mitglied eines mexikanischen Drogenkartells und bereit zur Übernahme des Mordauftrags zu sein. Die entsprechende Banküberweisung lässt sich laut Holder zu den Al-Quds-Brigaden zurückverfolgen.

Die Art und Weise, wie der Plot ausgeheckt wurde, lässt jedoch erhebliche Zweifel aufkommen, ob es zutreffend ist, in diesem Fall mit dem Begriff „Terrorismus“ zu hantieren. Wenn die Geschichte in ihren Grundzügen tatsächlich stimmt, handelte es sich augenscheinlich um die Vorbereitung eines politischen Mordes. Das ist aber etwas anderes als Terrorismus. Den saudischen Botschafter zu töten war offenbar das einzige Ziel der Auftraggeber. Das Motiv mag Rache gewesen sein, weil sich der Botschafter zu einem früheren Zeitpunkt einmal für ein militärisches Vorgehen gegen den Iran ausgesprochen hatte. Die Art der Ausführung des Plots war den Auftraggebern, so kann man den Auszügen aus den Gesprächsprotokollen zwischen Arbabsiar und dem DEA-Informanten entnehmen, vollkommen gleichgültig. Wäre der Anschlag tatsächlich wie zuletzt wohl geplant, in dem Restaurant mittels einer Bombe ausgeführt worden, wären zwar möglicherweise neben dem Botschafter viele Unbeteiligte ums Leben gekommen. Diese Art des Anschlags war aber nicht die von Arbabsiar und seinem iranischen Kontaktmann bevorzugte. Im Gegenteil, die Idee, den Mord an dem Botschafter mit Hilfe einer Bombenexplosion in einem Restaurant zu planen, stammte von dem Informanten.

Auch darüber hinaus ist die Rolle des Informanten undurchsichtig. Schon in der Vergangenheit hat es Fälle gegeben, in denen etwa FBI-Mitarbeiter bei dann „vereitelten“ Anschlägen so deutlich die Initiative übernommen hatten, dass die Angeklagten später freigesprochen werden mussten. Den Hinweis, der Anschlag würde auch viele Unschuldige das Leben kosten, hat Arbabsiar zwar mit dem Hinweis, das sei „kein Problem“ abgetan und billigend in Kauf genommen. Aus den Protokollen der Gespräche mit dem Informanten wird aber deutlich, dass eine direkte Tötung des Botschafters mittels einer Feuerwaffe die bevorzugte Option war. Nimmt man dies alles zusammen, so kann kaum von einem geplanten „Terroranschlag“ gesprochen werden.

Darüber hinaus ist die Bezeichnung als Terrorplot auch aus einem anderen Grund problematisch. Denn es ging vorrangig um die gezielte Tötung einer bestimmten Person, nicht darum durch Gewalt Angst und Schrecken in der Absicht zu verbreiten, die saudische (oder die amerikanische) Regierung oder die Bevölkerung zu einem bestimmten Handeln zu zwingen. Die beiden letztgenannten Kriterien – Erzeugung von Angst durch Gewalt zur Erreichung politischer Ziele – sind Bestandteil der gängigen Definitionen von Terrorismus, einschließlich der des US-amerikanischen Außenministeriums. Im Ergebnis ist schwer zu erkennen, wie die Motive der Verschwörer mit dieser Terrorismusdefinition in Übereinstimmung gebracht werden können.

In dem Fall ist noch vieles ungeklärt. Aber die Verwendung des Begriffes „Terrorismus“ geschah zumindest vorschnell wenn nicht irreführend. Das ist nicht nur eine sprachliche Spitzfindigkeit, sondern auch ein politisches Problem. Terrorismus legitimiert, auch in der Obama-Regierung, außerordentliche Maßnahmen zum Schutz der eigenen Interessen. Auch wenn nicht mehr vom „war on terror“ gesprochen wird, ist der Weg zum Krieg mit Staaten, die aus US-amerikanischer Sicht den Terrorismus unterstützen, nicht weit. So weit scheint es in den USA noch nicht zu sein. Aber die amerikanische Regierung lässt es an deutlichen Worten nicht fehlen. Präsident Barack Obama spricht davon, dass die Verantwortlichen (in Teheran) für ihre „ungeheuerliche Verletzung“ internationalen Rechts zur Rechenschaft gezogen würden und droht Iran mit „härtesten Sanktionen“.

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Martin Kahl