Griechenlands Militärausgaben müssen spartanischer ausfallen

Der griechische Staat hat über Jahre mehr ausgegeben als er eingenommen hat – und dabei auch, wie die Europäische Statistikbehörde wiederholt gerügt hat, getrickst, um das Ausmaß der Defizite zu verschleiern. Einen großen Posten nahmen dabei Ausgaben für den Einkauf von Waffen ein, die als geheim erklärt und nicht im Staatshaushalt gebucht wurden.

Inzwischen sind die griechischen Angaben zu den Ausgaben für Militär und Rüstung nachgebessert und etwas verlässlicher geworden. Aber damit ist noch deutlicher geworden, dass ihr erheblicher Umfang zu einem nicht unwesentlichen Teil zu den griechischen Staatsschulden beigetragen hat. Deutsche Rüstungsfirmen haben dabei in besonders starkem Maße an griechischen Aufträgen für Waffenkäufe teilgehabt.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mahnt seit einigen Jahren, dass die griechischen Militärausgaben zu hoch seien. Im jüngsten Bericht zu den Aussichten für eine Erholung der Staatsfinanzen in Griechenland wird das so begründet: „Der Anteil der Verteidigungsausgaben wurde für Mitte der 2000er Jahre auf 4 ¼ Prozent des Bruttosozialprodukts geschätzt, weit höher als der Durchschnitt weltweit und in den OECD-Mitgliedsländern mit etwa 1 ¾ bis 2 %.“ Damit hatte Griechenland den höchsten Anteil von Militärausgaben am Bruttosozialprodukt in der Europäischen Union und in der NATO.

Ein wesentlicher Grund für die hohen griechischen Militärausgaben ist die Rivalität mit der Türkei. Trotz deutlicher politischer Entspannung in den letzten Jahren liefern sich die beiden NATO-Staaten weiter einen Rüstungswettlauf, angeheizt durch hohe Rüstungsimporte. Dabei hat Griechenland im letzten Jahrzehnt mehr ausgegeben als die weit größere und dem konfliktträchtigen Mittleren Osten benachbarte Türkei. Nach Angaben des schwedischen Friedens-forschungsinstituts SIPRI lag Griechenland 2004-2008 weltweit auf Platz 5 aller Rüstungsimporteure, die Türkei auf Platz 8.

Wie viel Geld hätte der griechische Staat sparen können, wenn er sich nicht in diesen Rüstungswettlauf begeben, sondern sich etwa wie Deutschland verhalten hätte? Im Durchschnitt der letzten Jahre wandte Deutschland etwa 1,4 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Militärausgaben auf. Legt man diesen Maßstab zu Grunde, hätten die griechischen Staatsausgaben zwischen 2001 und 2009 um rund 36 Milliarden Euro niedriger ausfallen können. Berücksichtigt man zudem die daraus folgende niedrigere Staatsverschuldung, erhöht sich diese Summe um weitere vier Milliarden Euro für die Zinszahlungen auf die für die Finanzierung der Militärausgaben aufgenommenen Staatsschulden.

40 Milliarden Euro ist die Summe, die allein in diesem Jahrzehnt hätte eingespart werden können, hätte Griechenland denselben Anteil seiner Wirtschaftsleistung für Militär und Rüs-tung aufgewendet wie Deutschland. 40 Milliarden Euro entsprechen etwa zehn Prozent der gesamten griechischen Staatsschulden. Die Zinszahlungen für diese Summe belaufen sich bei den hohen Zinsen, die Griechenland zahlen muss, auf fast zwei Milliarden Euro pro Jahr. 

Deutsche Rüstungsfirmen waren in den letzten Jahren die wichtigsten Lieferanten für das griechische Militär. Nach SIPRI-Angaben kamen 31 Prozent der gesamten griechischen Rüstungsimporte aus Deutschland. Nach den offiziellen Angaben der Bundesregierung wurden im Schnitt der letzten zehn Jahren Rüstungsexporte in Höhe von ca. 300 Millionen Euro pro Jahr genehmigt. Darin ist die Lieferung von Technologie und Ausrüstungsgegenständen nicht enthalten. So machte etwa Thyssen Krupp Industrie die griechische Werft Hellenic Shipyards zum größten und modernsten Hersteller von U-Booten im östlichen Mittelmeer. Allein ein 2000 abgeschlossenes Geschäft über sieben U-Boote für Griechenland hatte ein Volumen von 2,84 Milliarden Euro. Bei Krauss-Maffei Wegmann (KMW) bestellte das griechische Heer unter anderem 170 Kampfpanzer vom Typ Leopard-2 im Wert von 1,7 Milliarden Euro.

In den letzten beiden Jahren sind diese Griechenlandgeschäfte der deutschen Rüstungsindustrie allerdings zur Belastung geworden. Trotz massiven politischen Drucks, unter anderem durch Briefe von Kanzlerin Merkel an den griechischen Premierminister, und gerichtlichen Auseinandersetzungen schuldet die griechische Regierung deutschen Rüstungsfirmen mehrere hundert Millionen Euro. Kraus-Maffei könnte auf schon gebauten Panzern sitzen bleiben, eines der für die griechische Marine gebauten deutschen U-Boote, die Papanikolis, wird weltweit zum Kauf angeboten. Das Ansinnen der Rüstungsindustrie, sich ihre Schulden im Rahmen der deutschen Griechenlandhilfe direkt aus der Staatskasse bezahlen zu lassen, lehnte die Bundesregierung jüngst ab. Allerdings ist ein Teil der Geschäfte über Hermes-Bürgschaften abgesichert.

Angesichts der Finanzkrise mussten die griechischen Ausgaben für Militär und Rüstung 2009 und 2010 gekürzt werden. Trotzdem sind sie im Vergleich zu anderen EU- und NATO-Staaten immer noch sehr hoch. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt beträgt 2010 etwa drei Prozent. Die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung liegen mit etwa 680 Euro pro Jahr immer deutlich über denen Deutschlands mit etwa 375 Euro pro Jahr und Person. Die griechischen Streitkräfte sind bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 11 Millionen mit etwa 156.000 Soldaten und Soldatinnen sehr groß – zum Vergleich: In der Bundeswehr dienen aktuell 257.000 Soldaten und Soldatinnen; die Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt bei knapp 82 Millionen.

Griechenland muss seine Streitkräfte verkleinern und seine Rüstungsausgaben verringern. Die Türkei ist nicht die Bedrohung für Griechenland, zu der sie in der griechischen Innenpolitik gerne stilisiert wird. Athen kann abrüsten und die Privilegien des Militärs beschneiden.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, in Zukunft sorgfältiger bei der Genehmigung von Rüstungsexporten darauf zu achten, ob diese angesichts der finanziellen Lage des Empfängerlandes vertretbar sind. Im Falle Griechenlands waren sie es in der Vergangenheit offensichtlich nicht.

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Kontakt:

Prof. Dr. Michael Brzoska