Ist Frieden die Abwesenheit von Krieg?
Weder umgangssprachlich noch in der Friedensforschung gibt es eine allgemein akzeptierte Definition für Frieden. Grundsätzlich lassen sich drei Ansätze unterscheiden.
Ein enger Begriff von Frieden setzt am Gegenbegriff des Krieges an. Frieden herrscht danach überall, wo kein Krieg ist. Damit wird das Problem der Definition auf den Begriff des Krieges verschoben, der dann meist mit tödlichen und zerstörerischen Auseinandersetzungen zwischen mindestens zwei militärisch organisierten bewaffneten Verbänden gleichgesetzt wird.
Auch wenn der Krieg beendet ist, wird oft weiter gekämpft
Kritik an dieser engen Definition von Frieden, auch „negativer Frieden“ genannt, ist weit verbreitet. Sie findet sich schon in historischen Schriften, wie dem „Leviathan“ von 1651. Thomas Hobbes schrieb dort: „Die Natur des Krieges besteht nicht darin, dass aktuell gekämpft wird; sondern in der bekannten Bereitschaft dafür, während deren Andauer es keine Versicherung für das Gegenteil gibt.“ Aktuell ist die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden vor allem dort problematisch, wo zwar die militärischen Auseinandersetzungen zwischen organisierten bewaffneten Verbänden geendet haben, aber Gewalt nicht eingegrenzt ist. Ein Beispiel dafür ist die Situation im Osten des Kongo, wo es immer wieder zu sporadischen Gewaltausbrüchen kommt.
Was führt zu Gewalt?
Im zweiten Ansatz wird Frieden ambitionierter definiert. Hier geht es nicht um bewaffnete Großgewalt, sondern um die Bedingungen, die zu dieser Gewalt führen. Hier öffnet sich ein weites Spektrum an Faktoren und Ebenen, die als wichtig angesehen werden können. Diese Offenheit macht es schwer, sich darauf zu einigen, wann Frieden im zweiten Sinne, auch positiver Friede genannt, herrscht. Zwar gibt es immer wieder Vorschläge dafür, aber keiner hat bisher die Bedeutung erlangt, die Frieden als Abwesenheit von Krieg hat.
Enger und weiter Begriff von Frieden werden in einem dritten Ansatz verbunden. Ausgangspunkt ist dabei die Abwesenheit von Krieg. Wo Krieg ist, ist kein Frieden. Aber nicht überall, wo kein Krieg ist, herrscht schon Frieden. Frieden wird hier als Prozess verstanden, mit der Abwesenheit von Krieg als Beginn eines Weges. Auch wenn keine Einigkeit besteht, was positiven Frieden am Ende ausmacht, lassen sich doch Elemente eines Prozesses von Frieden finden, die allgemeine Gültigkeit haben. Zentral ist dabei der Abbau der Wahrscheinlichkeit, dass es wieder zu Kriegen kommt. Aus dem Zitat von Hobbes lassen sich dafür die beiden Elemente Kriegsvorbereitung, also Rüstung und Militär, und Bereitschaft zur Gewalt, also Konflikt und Misstrauen, ableiten. Wo diese geringer wird, ist Fortschritt auf dem Weg zum Frieden zu finden. Einen anderen Weg hat Immanuel Kant skizziert. Er lässt sich mit Demokratie, Völkerrecht und wirtschaftlicher Integration beschreiben. Über diese und ähnliche allgemeine Elemente hinaus lassen sich für konkrete Situationen konkrete Schritte finden, die die Wahrscheinlichkeit von Krieg mindern.
Diesem Ansatz entspricht das Zitat von Willy Brandt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Die Aufgabe, nicht zuletzt für die Friedensforschung, ist die Identifikation und Unterstützung der Umsetzung der richtigen Schritte im Friedensprozess.