Private Sicherheitsdienstleister zur See: Cowboys gebändigt? Eine erste Bilanz über das mit Spannung erwartete Zulassungsverfahren

Private Sicherheitsdienstleister zur See: Cowboys gebändigt? Eine erste Bilanz über das mit Spannung erwartete Zulassungsverfahren

19.12.2013

Patricia Schneider

Seit dem 1. Dezember 2013 dürfen auf unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen nur noch solche privaten Sicherheitsdienste (PSD) eingesetzt werden, die nach den Neuregelungen in der Gewerbeordnung und den ergänzenden Verordnungen zugelassen sind. Bisher wurden fünf Bewachungsunternehmen zugelassen. Die gesetzliche Regelung von PSD wurde vor dem Hintergrund notwendig, dass sich die Handelsschifffahrt vor Piratenangriffen und Entführungen schützen muss. Um dabei nicht an "schwarze Schafe" zu geraten, mussten Mindeststandards sowie Berichterstattungs- und Überwachungsmöglichkeiten geschaffen werden. Hat das mit Spannung erwartete Zulassungsverfahren die "Cowboys" gebändigt? Erfüllt die Zulassungsregelung einerseits die Hoffnungen der Reeder und Kapitäne auf ein effektives und effizientes Kontrollverfahren und andererseits die Erwartungen der PSD auf verbesserte Marktchancen? Gibt es berechtigte Kritikpunkte? Welche Probleme bleiben ungelöst?

 

Schutz vor Piratenangriffen

Seit 2008 hatten die Piratenüberfälle und Schiffsentführungen im Golf von Aden und im Indischen Ozean stark zugenommen. Piraten entführten Schiffe und ihre Besatzungen und hielten diese monatelang an der somalischen Küste in Geiselhaft. Dies traf die Reeder empfindlich, und zwar sowohl hinsichtlich ökonomischer als auch menschlicher Kosten. Der Verband Deutscher Reeder forderte zusätzlich zu den anderen Abwehrmaßnahmen staatlichen Schutz durch Polizeikräfte oder Militär an Bord für besonders gefährdete Schiffe in Hochrisikogewässern. Im Sommer 2011 beschloss die Bundesregierung stattdessen, den Einsatz bewaffneter Privater Sicherheitsdienste zu fördern, da für staatlichen Schutz keine Kapazitäten vorhanden seien. Der Einsatz von PSD war zwar auch schon vor der Zulassungsregelung erlaubt und diese wurden notgedrungen von deutschen Reedern auch genutzt, jedoch herrschte große Unsicherheit bezüglich der Seriosität und Eignung der rasant steigenden Anzahl von Anbietern. Auch wurde von manchen Küstenstaaten eine Zulassungsbescheinigung für die bewaffneten Teams verlangt.

 

Einführung des Zulassungsverfahrens

Der Deutsche Bundestag beschloss 2012 schließlich die Einführung eines Zulassungsverfahrens. Im Juni 2013 traten die Gesetzesgrundlagen zur behördlichen Zulassung von deutschen und ausländischen privaten Sicherheitsdiensten auf Schiffen, die unter deutscher Flagge fahren, in Kraft. Es gab eine Übergangsregelung bis zum 1. Dezember 2013. Von der Neuregelung sind zudem unabhängig von der Flagge des bewachten Schiffes alle in Deutschland Gewerbe treibenden Anbieter betroffen.

Maßgeblich sind jetzt die Gewerbeordnung (GewO) §31 vom 04.03.2013, die Seebewachungsverordnung (SeeBewachV) vom 11.06.2013 und die Verordnung zur Durchführung der Seebewachungsverordnung (SeeBewachDV) vom 21.06.2013. Für die Zulassung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig, das dabei mit der Bundespolizei See (BPOL See) zusammenarbeitet. Die Zulassung wird befristet für zwei Jahre erteilt. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) muss den Reedern zudem einen Zusatz zum Gefahrenabwehrplan genehmigen, dieser Zusatz bestätigt, dass nur zugelassene PSD eingesetzt und die Richtlinien der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation der UN (IMO) beachtet werden.

Das deutsche Verfahren setzt damit erstmals konkrete Standards z.B. an Anforderungen an Ausbildung (im In- oder Ausland) und Ausrüstung. Es legt u.a. konkret die Mindestanzahl der Teammitglieder auf vier Personen und ihre Aufgaben sowie das Vorgehen in Eskalationsstufen fest.

Die Angriffszahlen somalischer Piraten im Indischen Ozean sind drastisch gesunken. Diese Entwicklung wird neben dem robusteren Militäreinsatz vor allem dem zunehmenden Einsatz von PSD zugeschrieben. Solange sich die Ausgangsbedingungen an Land jedoch nicht hinreichend ändern, wird das Gebiet immer noch als Hochrisikogebiet eingestuft, in dem Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Die indische Marine beziffert die Anzahl der im Indischen Ozean aktiven bewaffneten Sicherheitsdienste auf 140 und beklagt eine fehlende Regulierung ihrer Aktivitäten. Zum einen würden sie eine Bedrohung für Fischer darstellen, die unschuldig in ihr Visier geraten könnten, zum anderen wird befürchtet, dass sich die PSD selbst in Aktivitäten Organisierter Kriminalität verstricken. Das deutsche Zulassungsverfahren soll auch dazu dienen, solche Bedenken bei den Küstenstaaten und den Auftraggebern von PSD und zu zerstreuen.

 

Lob und Kritik

Die Beurteilung, ob es sich um ein effektives und effizientes Verfahren handelt, folgt den im Vorfeld vorgebrachten Hauptkritikpunkten: a) die unternehmensbezogene Prüfung, b) die Sicherstellung des Transports und Verbleibs der Waffen, c) die rechtlichen Haftungsrisiken für Kapitäne und PSD, d) die Melde- und Dokumentationspflicht der PSD und e) der Einsatz von freien Mitarbeitern.

a) Stets kritisiert wurde, dass im Verfahren unternehmensbezogen und nach Aktenlage evaluiert werde. Dies entspricht jedoch den IMO-Richtlinien, auf denen das Zulassungsverfahren basiert. Außerdem verkennt die Kritik, dass nicht nur die leitenden Angestellten der PSD bzw. deren Auswahl durch die BAFA geprüft wird, diese kann alle Unterlagen anfordern und prüfen. Systematische Einzelprüfungen finden darüber hinaus bei der Erteilung von Waffengenehmigungen statt. Für alle unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe ist die Hamburger Waffenbehörde zentral zuständig. Eine prinzipiell wünschenswerte Vor-Ort-Inspektion im Einsatzgebiet wurde von den Behörden als nicht leistbar eingestuft. Der deutsche Ansatz ist dennoch zu loben, weil sowohl die Unternehmen als auch die einzelnen Mitarbeiter überprüft werden.

b) Die Nutzung von sogenannten "floating armouries", Booten als schwimmende Waffenarsenale auf hoher See zur Umgehung von küstenstaatlichen Regelungen, wurde stark kritisiert und bleibt auch mit dem Zulassungsverfahren problematisch. Immerhin ist lobend hervorzuheben, dass die PSD die gesamte Waffenlieferkette nachweisen und Genehmigungen vorlegen müssen.

c) Es wird kritisiert, dass Rechtsunsicherheiten bestehen bleiben. Trotz der neuen Gesetzeslage bleiben Haftungsrisiken ein Unsicherheitsfaktor, insbesondere für Kapitäne, beispielsweise wenn diese bei Notwehrexzessen nicht einschreiten. Nils Retkowski von der Result Group GmbH, dem ersten deutschen Unternehmen, das zugelassen wurde, berichtet, dass Verfahrensabläufe trainiert und im Ernstfall die Zustimmung des Kapitäns zu den zuvor schriftlich vereinbarten Prozeduren eingeholt werden kann. Die Zustimmung wird bspw. durch Tonaufnahmen dokumentiert, um die Beweisführung im Fall eines Schusswaffengebrauchs zu erleichtern. Als problematisch gelten insbesondere mögliche Strafprozesse gegen Kapitäne oder Sicherheitsdienstleister vor ausländischen Gerichten. Dieses Problem kann durch deutsches Recht allein nicht gelöst werden. Hohe Qualitätsstandards bei den Sicherheitsdiensten durch ein staatliches Zulassungsverfahren sicherzustellen, kann aber positiv wirken, indem es das Vertrauen der verschiedenen Küstenländer stärkt.

d) Da der Ausgang von Gerichtverhandlungen und die Gewährung des Versicherungsschutzes schwierig abzuschätzen sind, steht zu befürchten, dass PSD Schusswechsel nicht melden, insbesondere wenn Verletzte zu beklagen sind. Um sicherzustellen, dass solche Vorkommnisse dennoch berichtet werden, sieht das deutsche Zulassungsverfahren eine Berichtspflicht sowohl für die PSD als auch für die Kapitäne vor. Diese doppele Berichtspflicht ist zu begrüßen.

Zu den vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenständen gehört zwar eine Kamera. Es wurde jedoch versäumt, eine Foto- oder Videodokumentation vorzuschreiben. Sie ist allerdings wünschenswert und liegt im Eigeninteresse der Unternehmen, um die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs nachzuweisen. Nach Auswertungen der ersten Berichte sollte über die Aufnahme einer solchen Vorschrift ernsthaft nachgedacht werden.

e) Kritisiert wurde, dass viele PSD nur mit freien Mitarbeitern oder Unterauftragnehmern arbeiten. Das deutsche Zulassungsverfahren lässt diese Praxis vernünftigerweise nicht zu und schreibt und schreibt i.d.R. Angestelltenstatus vor. Freie Mitarbeiter dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie den Ausbildungs- und Weisungsbefugnissen des Sicherheitsunternehmens entsprechen.

 

Kosten, Aufwand und wirtschaftlicher Nutzen

Der erwartete große Ansturm auf das Zulassungsverfahren ist zwar nicht eingetreten, aber eine ausreichende Anzahl Zulassungen zum Schutz unter deutscher Flagge fahrender Schiffe ist bereits gegeben und weitere Unternehmen haben die Zulassung beantragt. Abhängig von Aufwand und Antragsqualität stellt das BAFA ca. 10.000-19.000 € in Rechnung, firmeninterne Aufwendungen werden auf ca. 100.000 € geschätzt; die Überprüfung dauert mehrere Monate. Zudem ist davon auszugehen, dass zertifizierte PSD auf Grund der höheren Anforderungen an Ausbildung, Anzahl der Teammitglieder und Beachtung von Arbeitsrechten ihre Dienste teurer anbieten müssen als nicht zertifizierte Anbieter.

Ein erhoffter Wettbewerbsvorteil für zugelassene PSD im Vergleich zu ihren nicht zertifizieren Mitbewerbern zeichnet sich bisher nicht ab, eher im Gegenteil: In der derzeitigen angespannten Finanzlage ziehen insbesondere Charterer, die nicht unter die gesetzlichen Vorschriften fallen, die billigeren Mitbewerber vor, die bspw. mit kleineren Teams arbeiten. Allerdings ist es zu früh, um ein abschließendes Urteil zu fällen, da noch zu wenige Erfahrungen mit den zertifizierten PSD vorliegen.

 

Bewertung und weitere Aufgabenfelder

Es gibt gute Gründe, hoheitliche Kräfte den Privaten vorzuziehen. Der Einsatz von PSD entspricht jedoch mittlerweile üblicher internationaler Praxis. Das nun vom Gesetzgeber eingeführte Verfahren setzt im Prinzip den richtigen Rahmen für eine notwendige, langfristig tragfähige Regelung. Denn es ist zum Beispiel ungewiss, wie oft das Mandat für die Militärmissionen im Indischen Ozean noch verlängert werden wird. Ein Ende der Missionen wird die Abhängigkeit der Reeder von PSD erhöhen.

Die im Vorfeld vorgebrachte berechtigte Kritik wurde weitgehend aufgenommen und ein potenziell effektives und effizientes Zulassungsverfahren geschaffen. Nun kommt es auf die Umsetzung und Akzeptanz des Verfahrens an. Die Standards zur Bändigung der "Cowboys" sind zu begrüßen und können Vorbildcharakter für andere nationalstaatliche Verfahren haben. Aber nur eine dauerhafte, unabhängige Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften durch staatliche Stellen mit Sanktionsmöglichkeiten wie Bußgeldern oder Entzug der Lizenz kann das Vertrauen in PSD auf Dauer stärken.

 

Die Bundesregierung sollte auch die Zusammenarbeit mit Küsten-, Hafen- und Flaggenstaaten suchen, um die rechtlichen Haftungsrisiken für Kapitäne und Sicherheitsdienstleister einzudämmen. Es ist kritisch zu beobachten − soweit feststellbar −, ob die Meldung von ernsten Zwischenfällen aus Furcht vor strafrechtlicher Haftung unterschlagen wird und ob die im Zulassungsverfahren vorgesehenen Abhilfemaßnahmen greifen. Auch wird erst die Erfahrung zeigen, ob die Art der Dokumentation ausreicht, um über die Verantwortung bei ernsten Zwischenfällen zu entscheiden.

Es ist eine anerkennenswerte Leistung die vagen IMO-Richtlinien mit Leben zu füllen und zu konkretisieren. Mit zunehmender Erfahrung sollte das Zulassungsverfahren weiter angepasst werden. Vorteilhaft hierbei ist, dass die deutsche Regelung nicht nur für das Hochrisikogebiet im Indischen Ozean, sondern ortsunabhängig gilt. Auch gelten die Regeln generell für die Seeschiffsbewachung und damit nicht nur in Fällen von Piraterie. Dies erlaubt eine zukünftige Flexibilität, die bei Verlagerung von Ort und Art maritimer Gewalt den Einsatz Privater Sicherheitsdienste regelt, ohne ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren notwendig zu machen.

Die nächste große Baustelle ist die Ausdehnung der gefundenen Regelungen auf nicht unter deutscher Flagge fahrende Schiffe, nicht zuletzt auch das Verhindern des Ausflaggens deutscher Schiffe. Durch eine Ausdehnung strikterer Regelungen könnte auch verhindert werden, dass PSD sich dem Genehmigungsverfahren durch Verlagerung ins Ausland entziehen. Denn sollten sich für PSD nicht die erhofften Wettbewerbsvorteile ergeben, lohnen sich die Mehrkosten des Zulassungsverfahrens kaum, womit die positiven Effekte einer erhöhten Transparenz und Qualitätssicherung ausblieben.

 

Die Bundesregierung sollte sich deshalb im Rahmen der EU und der IMO für international einheitliche Qualitätsstandards mit robusten Berichterstattungs- und Überwachungsmöglichkeiten einsetzen, was auch gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen würde. Da auch Frankreich vor Kurzem angekündigt hat, PSD auf Schiffen zu erlauben, um die Energieversorgung des Landes zu sichern, findet sich hier vielleicht ein Verbündeter. Griechenland und Zypern lassen ebenfalls PSD zu.

Ein weiteres Problemfeld besteht in Westafrika. In den Küstengewässern der Staaten am Golf von Guinea sind keine privaten bewaffneten Teams an Bord erlaubt. Daher bleibt dort den Reedern nur die Möglichkeit, staatliche Kräfte aus der Region zu engagieren. Bis die Korruption unterbunden ist und der Schutz durch staatliche Kräfte in Westafrika effektiv funktioniert, sollte sich die Bundesregierung über diplomatische Kanäle darum bemühen, dass in Deutschland zugelassene Unternehmen in den Küstengewässern im Golf von Guinea tätig werden dürfen.

Letztlich sind aber alle Abwehrmaßnahmen zur See und auf den Schiffen nur Symptombekämpfung und können nur einzelne Bausteine einer Gesamtstrategie gegen maritime Gewalt sein. Diese sollte langfristig auch wirksame Maßnahmen an Land einschließen. Die Möglichkeiten, Zustimmung zu internationalen Standards zu mobilisieren, hängen auch von der weiteren Entwicklung der Piratenangriffe ab. Wenn man die Zulassung von PSD bildhaft als "Kopfschmerztablette" beschreiben würde, ist die regelmäßige Einnahme derselben nur solange wirksam, wie sie die Symptome bekämpft und die zugrundeliegende Krankheit sich nicht verschlimmert.

 

Kontakt: Patricia Schneider