Statement zu Afghanistan

„Der al externer Akteur auftretende demokratische Staat scheint im asymmetrischen Konflikt mit Aufständischen immer im Nachteil zu sein. Respektiert er die eigenen ethischen Grundsätze und die (völker)rechtlichen Normen, so dürfte er Schwierigkeiten haben gegen einen Gegner, dem das alles nichts bedeutet, weil er einer anderen „Rationalität“ folgt.

Passt sich der Starke den Methoden des Gegners an, so untergräbt er nicht nur die Moral der eigenen Streitkräfte, sondern auch die ethischen Grundlagen seiner Gesellschaft. Heutige Konzepte der Aufstandsbekämpfung suggerieren zwar, dass ein akzeptabler Weg durch den richtigen Mix von offensiven, defensiven und stabilisierenden Maßnahmen möglich sei. Aktuelle und historische Erfahrungen belegen aber eher das Gegenteil. Dies hat weniger mit fehlendem gutem oder gar bösem Willen der Interventen zu tun als mit strukturellen Dilemmata bei der militärisch gestützten Stabilisierung von schwachen Staaten bei gleichzeitiger Aufstandsbekämpfung.

Die zentralen Faktoren, warum die heutige Strategie des Westens in Afghanistan wahrscheinlich scheitern dürfte, sind kulturelle Differenz, begrenzte Ressourcen und die Unmöglichkeit, das Sozialverhalten einer ganzen Gesellschaft von außen grundlegend zu verändern. Die große Gefahr ist, dass Deutschland immer mehr in einen „schmutzigen“ Krieg hineinrutscht und dafür einen hohen Preis zahlen muss – politisch, personell, ethisch und finanziell. Folglich ist eine Strategie notwendig, die primär und zunehmend auf Stabilisierung mit zivilen Mitteln setzt und dabei folgende Aspekte beherzigt:

  • bescheidenere Ziele statt tief greifende gesellschaftliche Umstrukturierung;
  • Afghanisierung der Sicherheit statt internationale Truppenverstärkung;
  • dezentraler Governance-Ansatz statt Förderung des Zentralismus;
  • lokale Entwicklung statt Finanzierung der Korruption;
  • regionale Einbettung des Konflikts statt horizontaler Eskalation.

Letztlich muss die Frage beantwortet werden, ob und wie sich Deutschland bei der Aufstandsbekämpfung in Afghanistan einbringen soll. Wird diese Form des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts abgelehnt, müsste ein kurzfristiger Abbau des militärischen Engagements die Folge sein. Soll der Militäreinsatz mittel- oder gar längerfristig fortgesetzt werden, so müssten sehr gute politische Gründe im Sinne überzeugender und überprüfbarer strategischer Ziele angeführt werden, warum Deutschland die damit verbundenen hohen Kosten tragen sollte.“http://ifsh.de/pdf/stellungnahme_ehrhart4.pdf

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Hans-Georg Ehrhart