Trump ante portas: was tun?

Donald Trump wird der nächste US-Präsident! Diese Nachricht sorgte für Erstaunen, Erschrecken und große Sorge. Er gilt vielen als grobschlächtig, ungebildet, aggressiv und unberechenbar. Sein provokanter Wahlkampfstil war für viele abschreckend, für die Mehrheit der amerikanischen Wähler aber nicht. Sein sprunghaftes Verhalten und sein populistisches Verhalten entpuppten sich als erfolgreiche Strategie. Das wird Folgen haben für die USA und die Welt. Vor allem Deutschland und Europa müssen sich warm anziehen, wenn Trump seine außenpolitischen Überzeugungen umsetzt. Dann würde die Weltordnung, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt, enden. Für Europa stellte sich die Frage nach der Gestaltung der europäischen Friedensordnung und seiner Rolle in der Welt so akut lange nicht mehr.

 

Thomas Wright von der Brookings Institution benennt drei Kontinuitätslinien in Trumps außenpolitischem Denken. Die erste betrifft direkt die europäische Sicherheit: Der künftige amerikanische Präsident ist weder ein Freund von Bündnissen noch von einem globalen militärischen Engagement. Die klassische Rolle der NATO als Verteidigungsbündnis gegen Russland ist für ihn obsolet und in Asien sieht er keine strategischen Interessen, die eine militärische Vornestationierung erfordern. Die Allianzen hätten die USA Billionen US-Dollar gekostet. Wenn andere Schutz durch militärische US-Präsenz wollen, sollen sie dafür zahlen. Damit meint er nicht eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent (was Deutschland schon teuer genug käme), sondern die Übernahme der gesamten Kosten. Das wäre nicht bezahlbar. Bleibt er bei dieser Linie, hieße das mittelfristig das Ende der NATO.  

 

Die zweite Kontinuitätslinie dürfte die Gegner des Freihandels erfreuen, denn Trump ist wohl einer der ihren. Er lehnt Handelsverträge zwar nicht gänzlich ab, aber sie müssen „fair“ sein. Was er damit meint ist unklar. Klar ist aber, dass er das bislang gültige multilaterale Handelssystem und seine Institutionen für unfair hält. Er befürwortet klassische Instrumente wie Zölle und wirtschaftliche Strafmaßnahmen, um amerikanische Wirtschaftsinteressen zu schützen und durchzusetzen. Wright schätzt ihn als Merkantilisten ein, also als Befürworter einer Wirtschaftspolitik, die den heimischen Markt vor „unfairen“ Importen schützt und den Export von Fertigwaren unterstützt. Im Gegensatz zum Freihandel wird der Welthandel aus merkantilistischer Perspektive nicht als Positivsummenspiel sondern als Nullsummenspiel gesehen. Würde sich dieser Ansatz durchsetzen, hieße das das Ende der neoliberalen Spielart der Globalisierung.

 

Die dritte Kontinuität macht Wright in Trumps Sympathie für den Autoritarismus fest. Er inszeniert sich gerne als „starker Mann“, der die Dinge anpackt und in Ordnung bringt. Gorbatschow war für ihn eine schwache Person, Putin hingegen ist ein starker Führer. Über ihn sagte er bislang kein kritisches Wort. Seine Sympathie für „starke Männer“ schließt positive Äußerungen über Sadam Hussein und Verständnis für das chinesische Verhalten auf dem Tiananmen-Platz ein. Die Zeit des liberalen Interventionismus und des komplexen Statebuilding dürften wohl mit der Wahl Trumps ausgelaufen sein.

 

Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird, heißt es. Auch Trump muss mit der Beharrungskraft des außenpolitischen Apparates und der Staatsbürokratie kämpfen, sagen viele. Beides ist im Prinzip richtig. Aber wenn Wright die drei Kontinuitätslinien richtig analysiert hat, dann trifft auch seine Schlussfolgerung zu: Die internationale Ordnung wird sich grundlegend ändern. Das wirft die Frage auf, wie sich Deutschland und die EU in den drei Feldern Trumpscher Kontinuität positionieren sollten.

 

Erstens: Europa wird mehr für die Gewährleistung seiner Sicherheit leisten müssen. Wenn das nicht mehr im Rahmen der NATO möglich ist, dann bleibt nur der Weg über einen „kleineuropäischen“ Ansatz, also die Verstärkung der außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Integration. Die EU sollte dabei Großbritannien so eng wie möglich einbinden. Gleichzeitig gilt es mit Russland einen Prozess zur Gestaltung der gesamteuropäischen Entspannung und Sicherheit zu beginnen.

 

Zweitens: Der Erfolg Trumps beruht nicht zuletzt auf den hohen gesellschaftlichen Kosten neoliberaler Globalisierungspolitik. Freihandel ist nicht per se schlecht. Es kommt auf seine sozialpolitische Ausgestaltung an. Die EU sollte nicht mehr primär als Organisation für die Förderung des freien Marktes im Sinne der Großkonzerne agieren, sondern viel stärker ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Dafür müsste sie zur Sozialunion weiterentwickelt werden.

Drittens: Trumps angebliche Sympathien für starke Männer müssen und sollten Deutschland und die EU nicht teilen. Mit ihnen im gemeinsamen Interesse pragmatische Politik zu machen ist notwendig, insofern die eigenen Werte und die internationalen Normen beachtet werden. Das Ende des militärisch gestützten liberalen Interventionismus sollte als Chance begriffen werden, äußere Konflikte anders zu bearbeiten: durch starkes ziviles Engagement in der europäischen Nachbarschaft und durch die Unterstützung der Vereinten Nationen darüber hinaus.

 

Es bleibt zu hoffen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Kraft für diesen Weg aufbringen und nicht an ihren eigenen inneren Herausforderungen und „starken Frauen und Männern“ scheitern.