Trump und der Atomdeal mit dem Iran: Jetzt ist Europa gefordert

US-Präsident Donald Trump will nicht mehr bescheinigen, dass ein Festhalten am Atomabkommen mit dem Iran vom Juli 2015 (JCPOA – Joint Comprehensive Program of Action) im nationalen Interesse der USA ist, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde, die mit der Überwachung der Verpflichtungen des Iran beauftragt ist, keine Verstöße des Iran festgestellt hat. Zu einer solchen periodischen Zertifizierung hatte der US-Kongress Präsident Obama verpflichtet; sie ist eine der Bedingungen für die Aussetzung der ökonomisch wirkungsvollsten Sanktionen gegen den Iran. Da der direkte Wirtschaftsverkehr zwischen den USA und dem Iran seit der iranischen Revolution von 1979 minimal ist, waren dies vor Abschluss des JCPOA „Sekundärsanktionen“, mit denen Personen und Firmen außerhalb der USA bestraft werden konnten, die mit dem Iran Geschäfte in verschiedenen Bereichen machten, dazu gehören Finanz- und Bankgeschäfte, Versicherungen, der Energie- und Ölsektor, Schiffart und Schiffbau, Rohstoffe für die Industrieproduktion und der Automobilsektor. [1] 

 

Damit hat Präsident Trump die Verantwortung für die Zukunft des Abkommens zunächst einmal dem Kongress zugeschoben. Der hat jetzt 60 Tage Zeit zu entscheiden, ob er den nächsten Schritt geht und die von ihm kontrollierten Sanktionen gegen den Iran, zu deren Aufhebung sich die US-Regierung im JCPOA verpflichtet hatte, wieder in Kraft setzt. Die Diskussion darüber hat schon vor dem 15. Oktober, dem Tag an dem die Zertifizierung fällig ist, eingesetzt – und ihr Ausgang ist offen. Selbst die US-Administration scheint sich nicht wirklich einig zu sein. So hat sie noch im Juli die Möglichkeit verstreichen lassen, Ausnahmeregelungen für weiter bestehende Sanktionen, die ebenfalls im JCPOA zugesagt wurden und über die der Präsident allein entscheiden kann, aufzuheben.  

 

Das Geflecht der weiter bestehenden, ausgesetzten, mit Ausnahmeregelungen und durch Verschlankung mit dem JCPOA kompatibel gemachten US-Sanktionen ist hoch komplex. Es betrifft verschiedene Aspekte des Wirtschafts- und Finanzlebens und unterliegt unterschiedlichen politischen Entscheidungsmechanismen. Insofern haben Präsident und Kongress vielfältige Möglichkeiten, mehr oder minder symbolische Beschlüsse zu fassen, statt sich zu einer Fortführung oder einer eindeutigen Beendigung der US-amerikanischen Verpflichtungen zu entschließen.

 

Eine Möglichkeit ist die (Wieder-)Aufnahme von Namen in die Liste mit Finanzsanktionen belegter US-amerikanischer und ausländischer Banken, Handelsfirmen und Industriebetriebe. Eine Reihe solcher Unternehmen wird auch  aktuell sanktioniert, allerdings offiziell wegen der Unterstützung von terroristischen Aktivitäten oder von groben Menschenrechtsverstößen. Diese Listen könnte der US-Kongress mit dem Hinweis auf Verbindungen mit dem iranischen Nuklearprogramm ausweiten.

 

Dies wäre zwar ein formeller Verstoß gegen die US-amerikanischen Verpflichtungen aus dem JCPOA, hätte aber, je nachdem wie umfangreich eine solche Listenerweiterung wäre, möglicherweise nur geringe materielle Auswirkungen. Dasselbe gilt (mit wenigen Ausnahmen) für die Wiederaufnahme von vergleichsweise unbedeutenden Sanktionen, die US-amerikanische Firmen betreffen und die nach dem Abschluss des JCPOA ausgesetzt worden waren, etwa für die Lieferung von Ersatzteilen für zivile Passagierflugzeuge aus US-amerikanischer Produktion, bei Beibehaltung der wirtschaftlich bedeutenderen Sekundärsanktionen.

 

Durch solche weitgehend symbolischen Sanktionsbeschlüsse stünde die iranische Führung vor der schweren Entscheidung, ob sie diese – vermutlich unter großem Protest – hinnehmen oder mit der Aufkündigung des JCPOA beantworten soll. Einiges spricht dafür, dass sie sich für ersteres entscheiden wird, solange es bei Aktionen der USA bliebe, die keine Drittwirkung haben. Denn der wirtschaftliche Schaden für den Iran wäre gering, hingegen ließe sich mit großem politischen Gewinn, national wie international, propagandistisch ausschlachten, dass sich der Iran und die anderen Unterzeichnerstaaten des JCPOA an ein internationales Abkommen halten, die USA jedoch nicht.

 

Anders könnte es aussehen, wenn der US-Kongress weitergehende, insbesondere die Sekundärsanktionen, wieder in Kraft setzt. Zwei Typen von US-Sanktionen hatten für den Iran vor dem JCPOA wegen ihrer Drittwirkung besonders gravierende wirtschaftliche Auswirkungen: Finanz- und gegen die iranische Ölwirtschaft gerichtete Sanktionen. In beiden Fällen waren die Sanktionsdrohungen vor allem für Firmen aus der EU, dem wichtigsten Wirtschaftspartner des Iran, ein Problem. Nicht zuletzt mithilfe dieser extraterritorialen Sanktionen wurde Druck auf andere Staaten ausgeübt, ihrerseits entsprechende Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, um für die jeweiligen einheimischen Firmen klare Regelungen zu schaffen. So entsprachen die ab 2012 von der EU gegen den Iran verhängten Sanktionen weitgehend denen der USA.

 

Die aktuelle Position der EU, wie auch einiger anderer westlicher Staaten, die mit ihrer Sanktionspolitik vor dem JCPOA den USA gefolgt waren, zur Fortführung des Abkommens weicht allerdings fundamental von der Donald Trumps ab. Die EU will das JCPOA unbedingt erhalten; dem Iran wird bescheinigt, seine Verpflichtungen einzuhalten.

 

Das ist der US-Administration in den letzten Monaten auf diplomatischem und politischem Wege wiederholt in klaren Worten verdeutlicht worden. Dabei wurde gelegentlich auch, etwa durch den Botschafter der EU in Washington, David O’Sullivan, mitgeteilt, man werde extraterritoriale Sanktionen der USA nicht nur nicht befolgen sondern aktiv bekämpfen. [2]

 

Grundlage dafür ist eine EU-Verordnung aus dem Jahre 1996 (2271/1996) [3], die in Deutschland auch durch eine nationale gesetzliche Vorschrift ergänzt wird [4]. Die EU-Verordnung, auch „blocking regulation“, war eine Antwort auf frühere Versuche der USA, extraterritoriale Sanktionen, unter anderem gegen Kuba und den Iran, durchzusetzen (Helms-Burton Act). Die EU vertritt die Position, dass extraterritoriale Sanktionen grundsätzlich rechtswidrig sind. In der Verordnung von 1996 wird Firmen aus der EU deshalb unter Strafandrohung verboten, entsprechende Sanktionsvorschriften der USA zu befolgen.

 

Die Iran-Sanktionen, die der US-Kongress möglicherweise wieder in Kraft setzt, befinden sich zwar nicht darunter, aber es wäre entsprechend der Rechtsauffassung der EU zu extraterritorialen Sanktionen nur konsequent, die Verordnung entsprechend zu erweitern. Firmen aus der EU mit wirtschaftlichen Interessen an Geschäften mit dem Iran, insbesondere aus der Finanz- und Ölbranche, stünden dann allerdings vor einem Dilemma: Entweder verstoßen sie gegen EU-Recht oder sie riskieren mit US-Sanktionen bestraft zu werden. Für die Firmen, deren USA-Geschäft größer ist als ihr Iran-Geschäft, dürften letztere mit höheren Kosten verbunden sein. Die in der EU drohenden Strafen sind gering, während sie in den USA hoch sind und bis hin zum Ausschluss von allen Geschäften in den USA reichen können. Besonders eindeutig dürfte die Entscheidung für den Finanzsektor sein, denn US-Sanktionen gefährden alle Dollargeschäfte, die über die USA laufen.

 

Um ihre „blocking regulation“ wirksam zu machen, müsste die EU die Strafen deutlich erhöhen oder im Gegenzug sogar Sanktionen gegen die USA zu verhängen. Das allerdings würden die USA vermutlich nicht einfach hinnehmen. Sie könnten zu weiteren, direkt gegen die EU gerichteten Sanktionen greifen. Das Verhältnis zwischen USA und EU – und anderer Unterstützer des JCPOA – wäre schwer belastet, mit hohen Kosten sowohl für Firmen und Personen, die ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran beenden, als auch für solche, die diese aufrechterhalten.  

 

Nimmt die EU die Wiedereinführung von Sekundärsanktionen hingegen hin, beteiligt sie sich de facto an der Aufkündigung des JCPOA. Aus der Sicht des Iran dürfte es gleichgültig sein, wer dafür verantwortlich ist, dass seine Wirtschaft wieder, wie vor dem JCPOA, durch Sanktionen geschädigt wird. Führende europäische Politiker haben in den letzten Wochen den Wert des JCPOA für die europäische Sicherheit herausgestellt. Eine durch Sekundärsanktionen der USA erzwungene Rückkehr zu den Einschränkungen des Wirtschafts- und Finanzverkehrs wie vor dem JCPOA ist daher keine Option. Damit scheint klar: Der US-Kongress entscheidet nicht nur über die US-amerikanische Haltung zum JCPOA, sondern auch über die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses.


[1] Iran: U.S. Economic Sanctions and the Authority to Lift Restrictions, https://fas.org/sgp/crs/mideast/ R43311.pdf.

[2]europeansanctions.com/category/iran/.

[3]eeas.europa.eu/sites/eeas/files/restrictive_measures-2017-04-26-clean.pdf.

[4] Für Deutschland ist dies §7 der Außenwirtschaftsverordnung, der deutschen Firmen Erklärungen verbietet, mit denen sie sich an einem Boykott beteiligen, der nicht durch Deutschland, die EU oder die VN beschlossen wurde.