Am 9. Oktober wird bekannt gegeben, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis bekommt. Prof. Dr. Michael Brzoska wagt eine Prognose und benennt, wer in diesem Jahr aus seiner Sicht preiswürdig ist.
"211 Personen und 107 Organisationen sind nominiert worden, aber nur wenige Namen, wie etwa die von Greta Thunberg oder US-Präsident Donald Trump wurden vorab öffentlich bekannt. Angesichts der globalen Auswirkungen der Corona-Pandemie wäre eigentlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine berechtigte Kandidatin für den Preis. Aber an der Organisation ist viel Kritik geäußert worden. Demgegenüber dürfte die internationale Impfallianz Gavi mit ihrer Vorsitzenden, der früheren nigerianischen Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala, oder die finanzstarken Förderer von Impfprojekten, Melinda und Bill Gates, bessere Chancen haben. Sie setzen sich dafür ein, dass Impfstoffe nicht nur Menschen in reichen Ländern zugänglich gemacht werden, sondern weltweit zur Verfügung stehen.
Trumps Friedensplan für den Nahen Osten dürfte wenig überzeugen
Eine im Sinne des Stifters Alfred Nobel liegende Auszeichnung für Bemühungen um die Beendigung aktueller Konflikte ist wenig wahrscheinlich, auch wenn es solche auch in diesem Jahr gab, unter anderem in Afghanistan und Libyen. US-Präsident Trump scheint sich wieder einmal Hoffnungen zu machen, aktuell wegen seines Friedensplans für den Nahen Osten mit dem ersten Schritt der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain mit Israel. Aber das Nobelpreiskomitee in Oslo dürfte Trumps Friedensplan ebenso kritisch sehen wie die anderen Aspekte seiner Politik, etwa seine ausgeprägte Abneigung gegen internationale Abmachungen und Organisationen.
Setzt das Preiskomitee einen Kontrapunkt zur US-Politik?
Die fünf norwegischen Mitglieder des Komitees könnten sogar versucht sein, einen Kontrapunkt gegen die Trumpsche Politik zu setzen. In Frage käme etwa ein Preis für den Internationalen Strafgerichtshof mit seiner Chefanklägerin Fatou Bensouda aus Gambia. Gegen sie hat die US-Regierung in diesem Jahr Sanktionen verhängt hat, weil sie beabsichtigt, das Verhalten von US-Militärs und Geheimdienstangehörigen im Krieg in Afghanistan zu untersuchen.
Bessere Chancen dürften Kämpferinnen und Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte haben, in diesem Jahr besonders sichtbar im Sudan, in Hongkong und in Belarus. Zu den Favoriten gehören deshalb FFF (Forces for Freedom and Change), die Dachorganisation vieler Oppositionsgruppen im Sudan, und Joshua Wong aus Hongkong. Die Situation in Belarus ist noch zu unklar, als dass das weibliche Dreigestirn der Opposition, Maria Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo, Aussichten haben dürfte.
Nawalny als Preisträger?
Aus dieser Reihe von Aktivisten sticht aus traurigem Anlass Alexei Nawalny hervor. Schon vor seiner Vergiftung waren er und die von ihm gegründete Organisation zur Bekämpfung der Korruption in Russland als mögliche Kandidaten für den Preis genannt worden. Nun steht er in besonderem Maße für den Mut von politischen Aktivisten. Damit die Preisverleihung nicht zu sehr als Kritik an der russischen Regierung aussieht, obwohl noch nicht klar ist, wer für die Vergiftung verantwortlich ist, könnte das Nobelkommittee auch eine Preisteilung mit einer Anti-Korruptionsorganisation verkünden, zum Beispiel mit Transparency International.
Bisher noch ohne Auszeichnung, aber preiswürdig wäre eine Person oder eine Organisation, die für Pressefreiheit steht. Schon im letzten Jahr waren der türkische Journalist Cem Dündar und Reporter ohne Grenzen häufig als mögliche Preisträger genannt worden. Ebenfalls in Frage käme eine Organisation, die für fairen internationalen Austausch und Handel steht, wie Fairtrade International.“
Zu den möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für den Friedensnobelpreis 2020 hat das IFSH auch eine Pressemitteilung herausgegeben.