Als Michail Gorbatschow das IFSH besuchte

Dr. Margret Johannsen

Michail Gorbatschow und Egon Bahr (r.) (c) M. Johannsen

Michail Gorbatschow, der letzte sowjetische Staats- und Parteichef und Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung, feiert heute am 2. März seinen 90. Geburtstag. Fast genau vor 29 Jahren war er zu Gast am IFSH. IFSH Senior Fellow Dr. Margret Johannsen erinnert an den 11. März 1992:

 

Michail Gorbatschow hatte Hunger. Schließlich war für einen Frühaufsteher Mittagszeit. Darauf war die Spitzenriege des IFSH nicht vorbereitet; die Herren Lutz und Mutz aßen als Spätaufsteher normalerweise spät und notgedrungen schloss Egon Bahr sich an. Sie aßen immer beim „Zum Falkeinsteiner“ in Hamburg-Blankenese, drei Minuten unterhalb des Instituts. Ein Telefonanruf und alles war geregelt: Egon Bahrs Sekretärin Heinke Peters holte die bestellten belegten Brötchen ab und rannte zur Freude der Schar der wartenden Journalisten mit gefülltem Tablett die steile Auffahrt hoch ins Institut. Das war das erste und einzige Mal, dass es einen Haufen Journalisten vor der Pforte vom Falkenstein gab – Pressekonferenzen gab es im noblen Blankeneser Villenviertel nicht, wo ein paar Anwesen weiter Axel Springer samt Swimmingpool wohnte, zumal der 286er Bus nur alle halbe Stunde raus nach Westen zu seiner Endstation fuhr. Gorbatschow aß mit großem Appetit, die Herren vom IFSH auch. Heinke Peters ging hinter ihnen hin und her, das Tablett, das sich rasch leerte, balancierend.
Ich sollte Protokoll schreiben. Schon mehrfach hatte ich als Frischling im IFSH Protokoll bei Treffen mit dem IPW unter Leitung von Max Schmidt in Ost-Berlin geschrieben. Tonband mitlaufen lassen verbot sich natürlich. Bei dem ersten zweitägigen Treffen, das vom 30. September bis zum 1. Oktober 1987 wenige Monate nach Veröffentlichung des SED-SPD-Papiers „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ stattfand, hatte ich mir prompt eine Sehnenscheidenentzündung zugezogen. Egon Bahr wäre das nicht passiert, er konnte Steno. Das musste er auch können, weil er in seinem ersten Job nach dem Krieg in Westberlin Journalist gewesen war, bevor er in die Politik ging.
Gleichzeitig fotografieren und protokollieren war natürlich grenzwertig. Ich konnte kein Steno und habe mich darauf verlassen, dass die anwesenden Kollegen mir schon auf die Sprünge helfen würden, wenn ich etwas nicht mitbekommen hätte. Das haben sie dann auch und es war wohlgeraten. Egon Bahr hat dann noch kräftig redigiert, wahrscheinlich auf der Basis seiner stenographischen Notizen. Es trägt denn auch deutlich seine Handschrift:

Historisches Dokument: Das IFSH-Protokoll des Treffens mit Michail Gorbatschow