Der Einfluss des Ukrainekrieges auf Länder in der Krise – am Beispiel Libanon

IFSH-Kurzanalyse von Viktoria Budde

Krisen wie in Libanon dürfen jetzt nicht vergessen werden. (c) Viktoria Budde

 

„Will die internationale Gemeinschaft die Folgen des Krieges für Bevölkerungen in Krisenstaaten abfangen, darf sie ihre Unterstützung trotz gestiegener Kosten durch den Ukrainekonflikt nicht herunterfahren.“ (Viktoria Budde)

 

Aktuell vergeht kein Tag, ohne dass über den Krieg in der Ukraine in den Medien berichtet wird. Das Leid der Menschen, die sich in Nachbarländer flüchten, und das Ausmaß an Gewalt inmitten Europas machen fassungslos. Doch auch die Auswirkungen des Krieges über seine unmittelbare Nachbarschaft hinaus sollten wir betrachten. UN-Generalsekretär Guterres befürchtet, dass die Welt Krisen wie in Jemen, Syrien oder Libanon aufgrund des Ukrainekrieges vergisst. Dabei sind die Auswirkungen des Konfliktes in Staaten, die schon vor Kriegsausbruch in der Krise waren, stark spürbar.

Libanon etwa steckt seit 2019 in einer der drei schwersten Wirtschaftskrisen weltweit: Aufgrund einer Inflationsrate von 90 Prozent entspricht der frühere Mindestlohn von umgerechnet 410 Euro heute nur noch ca. 25 Euro. Doch die Preise steigen weiter und so schoss Beirut, Libanons Hauptstadt, von zuletzt Platz 45 auf einen schwindelerregenden Platz 3 der teuersten Städte der Welt. Darum können sich viele Menschen Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten und etwa 3,2 Mio. Menschen benötigen Hilfe in Form von Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften. Schon 2021, vor dem Ukrainekrieg, fehlten 1,1 Mrd. Euro für UN-Unterstützungsleistungen im Libanon und es standen nur 33 Prozent der nötigen Gelder für Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung.

Libanons Möglichkeiten, die Bevölkerung zu versorgen, sind seit der Hafenexplosion 2020 zusätzlich beschränkt. Bei der größten nicht-nuklearen Explosion der Geschichte wurden auch die Mehlspeicher zerstört, die zu 80 Prozent mit russischem und ukrainischem Mehl befüllt waren. Der Ukrainekonflikt treibt weltweit die Preise in die Höhe: Libanon, praktisch bankrott, kann sich an den Bieterkämpfen nicht beteiligen. Mehl wird stark rationiert, die Brotpreise versechsfachten sich dennoch. Das restliche Mehl reicht nur noch für einen Monat. Wie dann die Bevölkerung versorgt wird, ist unklar.

Strom gibt es für zwei Stunden am Tag, der Rest muss teuer und ineffizient über Generatoren hinzugekauft werden. So bleiben Städte nachts dunkel, Supermärkte ungekühlt, Krankenhäuser arbeiten auf Notstrombetrieb. Benzin für den Arbeitsweg ist teurer als der Lohn, ÖPNV gibt es nicht. Durch den Krieg steigen Energiepreise weltweit und viele Staaten versuchen nun, russisches Gas zu vermeiden und ihren Energiebedarf stattdessen aus anderen Quellen zu decken. Libanon verliert den Wettbewerb gegen Länder, die höhere Preise bieten, und auch ein Deal mit Ägypten, der das Gas für die Erzeugung von zusätzlichen 450 Megawatt mehr Strom geliefert hätte, liegt wegen des Krieges auf Eis. Da das dafür nötige Gas durch Syrien käme und das syrische Regime dafür wertvolles Gas als Bezahlung erhalten würde, würde neben dem sanktionierten Assad-Regime auch die russische Firma Stroytransgaz profitieren. Der Leiter von Stroytransgaz ist wegen enger Verbindungen zu Putin auf den Sanktionslisten der USA, der EU und dem Vereinigten Königreich, und über Stroytransgaz erhält Putin einen finanziellen Ausgleich für die Unterstützung, die er Assad zukommen lässt. So wird sich im Libanon an 22 Stunden Stromausfall täglich so bald nichts ändern. Mit möglichen Einschränkungen für die Wahlen im Mai und eventuell weiteren Unruhen muss somit zu rechnen sein.

Libanon zeigt, welche Konsequenzen Staaten, die bereits vor dem Krieg in der Krise steckten, erwarten können. Nicht nur die unmittelbare Versorgung ist betroffen, sondern ganze Konflikte können als Folge wieder aufflammen. Will die internationale Gemeinschaft die Folgen des Krieges für die Bevölkerungen abfangen, darf sie ihre Unterstützung trotz gestiegener Kosten durch den Ukrainekonflikt nicht herunterfahren. Auch wenn es sich bei diesen Beiträgen nur um kurzfristige Hilfen handeln kann, die die eigentlichen Krisenursachen nicht bekämpfen können. Denn letztlich können nur langfristige Reformen die Ursachen der schlechten Ausgangslage beheben. Doch vor dem Hintergrund der durch den Ukrainekonflikt verschärften Krisen, müssen diese wohl noch auf sich warten lassen.