Um die Verbreitung terroristischer Inhalte im Netz zu unterbinden, hat die Europäische Union am 29. April 2021 die Verordnung (EU) 2021/784 verabschiedet. Das Gesetzgebungsverfahren war von Meinungsverschiedenheiten geprägt. Verschiedene Akteure aus dem Bereich „digital rights“ und Menschenrechtsorganisationen begleiteten das Verfahren kritisch und setzten sich bei allen EU-Institutionen für die Änderung einzelner Bestimmungen ein, um sicherzustellen, dass durch die Verordnung keine Grundrechte eingeschränkt werden. Zum Teil hatten die Akteure Erfolg und konnten auf den endgültigen Verordnungstext Einfluss nehmen. Dieser Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure stellt somit die traditionelle Auffassung in Frage, wonach Terrorismusbekämpfung tendenziell entpolitisiert und von der öffentlichen Debatte abgeschirmt sei.
In ihrem Artikel „Negotiating Fundamental Rights: Civil Society and the EU Regulation on Addressing the Dissemination of Terrorist Content Online“ vergleicht die IFSH-Wissenschaftlerin Reem Ahmed die Argumentationsmuster der an der Verhandlung der EU-Verordnung beteiligten Akteure und untersucht die Dynamik von Politisierung und Versicherheitlichung im Spannungsfeld von Terrorismusbekämpfung und Plattform-Governance. Ihre Analyse zeigt, dass auf Seiten der EU-Institutionen klassische Diskurse der Dringlichkeit und Notwendigkeit bemüht wurden. Das Thema Plattform-Governance sprach jedoch zugleich ein breiteres Spektrum von Akteuren an, die den Ansatz der EU (öffentlich) kritisch hinterfragen und herausfordern konnten.
Der Artikel ist Teil eines Special Issue mit dem Titel „The Practicalities and Complexities of (Regulating) Online Terrorist Content Moderation“, veröffentlicht in Studies in Conflict & Terrorism: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1057610X.2023.2222890?src=
Reem Ahmed (2023) Negotiating Fundamental Rights: Civil Society and the EU Regulation on Addressing the Dissemination of Terrorist Content Online, Studies in Conflict & Terrorism, DOI: 10.1080/1057610X.2023.2222890