Digitale Staatlichkeit: Extremmaßnahme oder Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise?

Ein virtueller Nationalstaat, der ohne eigenes Territorium allein im Metaverse existiert: Was klingt wie Science-Fiction, könnte für kleine Inselstaaten ein wichtiges letztes Mittel im Kampf gegen die Klimakrise sein. Als die Regierung von Tuvalu ihren Vorschlag für ein digitales Tuvalu im November 2022 auf der Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich vorstellte, erntete sie viel Kritik. Zu stark weicht das Konzept eines digitalen Staates von herrschenden völkerrechtlichen Normen ab, zu drastisch erscheinen die internationalen Implikationen eines solchen Modells.

In einem neuen Artikel untersucht ein Autorenteam rund um IFSH-Forscher Dr. Delf Rothe, welche Folgen ein virtuelles Tuvalu für die internationale Politik hätte. Der Artikel zeigt auf, wie tuvaluische Akteure die Idee eines virtuellen Staates mit indigenen Konzepten von Souveränität verknüpfen. So könnte zwar nicht das Territorium, aber die Kultur und Unabhängigkeit des vom Meeresspiegelanstieg bedrohten Inselstaates gerettet werden. Im Kern des Vorstoßes Tuvalus steht laut den Autor:innen das Bestreben, die eigene indigene Identität zu bewahren und Handlungsmacht angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise zurückzugewinnen. Der Artikel ist Teil des Sonderhefts „The crisis in the palm of our hand: smartphones in contexts of conflict and care”, das die Rolle von digitalen Technologien in Konflikten und humanitären Krisen untersucht.

Der Artikel ist hier in englischer Sprache öffentlich zugänglich.

Delf Rothe, Ingrid Boas, Carol Farbotko, Taukiei Kitara: Digital Tuvalu: state sovereignty in a world of climate loss,
International Affairs, Volume 100, Issue 4, July 2024, Pages 1491–1509, https://doi.org/10.1093/ia/iiae060