Bundesbildungsministerium fördert das Projekt mit 1,1 Millionen Euro
Seit 2015 verfolgt die Europäische Union das Ziel, eine „Sicherheitsunion“ zu etablieren. Der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte „ein Europa, das schützt“ errichten. Und die neue Kommissionspräsident Ursula von der Leyen erklärte die Verteidigung der „europäischen Lebensweise“ zu einer der Prioritäten ihrer Amtszeit. Diese und andere Äußerungen zeigen, wie europäische Institutionen und Staaten vermehrt versuchen, die Vorstellung der EU als Sicherheitsgarantin in unsicheren Zeiten in den Fokus zu rücken. Bestehende Erzählungen wie das „Friedensprojekt Europa“ oder das Wohlstandsversprechen des gemeinsamen Binnenmarkts scheinen vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Politisierung und Polarisierung an Bindungskraft zu verlieren. Gleichzeitig ist das Versprechen umfassender Sicherheit in Zeiten multipler Krisen vom Brexit bis zur Corona-Pandemie für viele Bürger*innen attraktiv. Die Betonung von Sicherheit als Leitvorstellung zur Organisation von Zusammenhalt in und zwischen europäischen Gesellschaften ist allerdings ambivalent. Ein breit verstandenes Gefühl der Sicherheit kann als Grundlage für Zusammenhalt auch über Grenzen hinweg dienen, weil es geteilte Selbst- und Fremdbilder schafft und dadurch Vertrauen und Identifikation ermöglicht, etwa durch die gemeinsame Bekämpfung organisierter Kriminalität. Gleichzeitig laufen Sicherheitsdiskurse Gefahr, Ängste heraufzubeschwören, Akteure zu stigmatisieren oder neue Konflikte zwischen Gruppen und Staaten zu befördern, wie sich dies zum Beispiel im Bereich der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik beobachten lässt.
Hier setzt das Forschungsprojekt „Zusammenhalt durch Sicherheit? Diskurse, Interaktionen und Praktiken des europäischen Zusammenhaltes im Feld Sicherheit (ZUSE)“ an. Es untersucht, wie Mitgliedstaaten und EU-Institutionen übergreifende Vorstellungen von Sicherheit und Zusammenhalt entwickeln, wie sich dieser Rahmen in Interaktionen und Vorstellungen zwischen Entscheidungsträger*innen und Expert*innen auf der administrativen Ebene übersetzt, und wie Bürger*innen den Zusammenhang von Sicherheit und Zusammenhalt verstehen und durch lokale Praktiken erfahren. Das interdisziplinäre Projekt verbindet dazu verschiedene Methoden und Daten. Damit möchte es auch Impulse bieten für die Entwicklungen abgewogener Kommunikations- und Handlungsstrategien, die die möglichen Nebenwirkungen der Herstellung von Zusammenhalt durch Sicherheit reflektieren.
ZUSE ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des IFSH mit der Helmut Schmidt Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg (Prof. Dr. Teresa Koloma Beck) und der Eberhard Karls Universität Tübingen (Prof. Dr. Thomas Diez). Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Gesamtsumme von ca. 1,1 Millionen Euro gefördert. Der Anteil des IFSH beläuft sich auf ca. 447.000 Euro. Das Vorhaben hat zum 01. Februar 2021 seine Arbeit aufgenommen und läuft bis zum 31. Dezember 2023. Neben dem Projektleiter Dr. Hendrik Hegemann besteht das Team des IFSH aus Aline Bartenstein und Oliver Merschel.
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