Informationskrieg in Deutschland – transatlantisch verstärkt? IFSH-Kurzanalyse von Thilo Geiger

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Gezielte Falschinformationen und Einflussnahmen sind im Zuge russischer hybrider Kriegsführung scheinbar zu einer Normalität in Deutschland geworden. Äußerungen von Mitgliedern der Trump-Administration, die in jüngster Vergangenheit für Aufsehen gesorgt hatten, können die Effekte der russischen Attacken gegen Deutschland zusätzlich verstärken. 

Während der Milliardär, Trump-Berater und Besitzer der Social-Media-Plattform X Elon Musk seine aktive Einflussnahme auf den politischen Diskurs in Deutschland vor allem auf die Zeit des Wahlkampfes beschränkt hat, nimmt US-Vizepräsident JD Vance auch nach der Wahl Stellung zu innerdeutschen Diskursen. So äußerte er sich in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender FoxNews erneut mit ähnlichen Inhalten, mit denen er bereits im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) in Deutschland für Unmut gesorgt hatte: Vance vertrat bei beiden Auftritten die Meinung, dass in Europa die Meinungsfreiheit durch die Regierungen eingeschränkt werde. Zudem erinnerten seine Aussagen zur (Massen-)Migration, stark an die Verschwörungstheorie des „Großen Austausches“. Das FoxNews-Interview, war offenbar bewusst provokant gehalten, damit es auch deutsche Medien aufgreifen und es so das deutsche Publikum erreicht. Ähnlich sind Äußerungen von anderen Mitgliedern der US-Regierung einzuordnen, die die Entscheidung des deutschen Verfassungsschutzes kritisiert hatten, als dieser vor kurzem die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft hatte. In die gleiche Kategorie fallen Vances Schlussworte beim Treffen einer MSC-Delegation, das er nochmal nutzte, um europäischen Regierungen – und auch der Biden-Administration – Eingriffe in die Meinungsfreiheit zu unterstellen.

Hybrider Krieg zielt auf Führungs- und Funktionsfähigkeit von Staaten

Die Förderung radikaler und extremer Kräfte an den politischen Rändern ist eines der Werkzeuge während eines hybriden Krieges. Ein solcher hybrider Krieg wird derzeit von Russland verstärkt auch gegen Deutschland geführt  mit dem Ziel, das angegriffene Land zu schwächen. Dies geschieht dadurch, dass versucht wird, gezielt radikale und extreme Kräfte zu stärken, Konflikte anzufeuern und die Gesellschaft dadurch nachhaltig zu destabilisieren. Ein instabiles Land, so das russische Kalkül, ist ein instabiler Partner innerhalb der NATO und EU und schwächt so diese Bündnisse, die Russland als Hindernis für seine imperialen Bestrebungen wahrnimmt. 

Sowohl der von Vance erhobene Vorwurf, wonach die Meinungsfreiheit in Europa angeblich eingeschränkt und die Opposition vermeintlich unterdrückt werde, als auch seine These, dass die Migration zum „zivilisatorischen Selbstmord Europas“ führe, nähren dabei Narrative extremer politischer Gruppierungen in Europa – insbesondere auch in Deutschland. Vances Äußerungen tragen somit zur Spaltung und zur Destabilisierung des demokratischen Systems bei. Diese Wirkung haben sie mit russischen hybriden Maßnahmen gemein. 

Die veränderte Lage erfordert ein Umdenken in Deutschland

Es muss davon ausgegangen werden, dass Mitglieder der US-Regierung weiterhin Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland nehmen werden, ein weiterer Grund warum die Bundesregierung das transatlantische Verhältnis neu bewerten sollte.

Mit Blick auf die Vorwürfe aus den USA und einer notwendigen und glaubwürdigen Antwort muss eine wehrhafte Demokratie getroffene Entscheidungen und Vorgänge wie die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz begründen, rechtsstaatliche Mittel zum Beispiel im Kampf gegen Extremismus entschlossen, aber mit Bedacht einsetzen und darüber nicht die politische Bearbeitung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen, wie Migration oder die wirtschaftliche Situation, vernachlässigen. Notwendige, staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit beinhalten immer auch die begrenzte Beschneidung individueller Rechte mit dem Ziel des langfristigen Erhalts der demokratischen Ordnung als Ganzes. Die Antwort auf die Frage, wieviel wir bereit sind aufzugeben, um zu bleiben, wer wir sind, muss dabei nach einer notwendigen, zeitnahen Klärung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs klar und offen nach innen wie außen kommuniziert werden.

Oberstleutnant i.G. Thilo Geiger ist seit Oktober 2024 als Verbindungsoffizier und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFSH tätig.