Diese Frage stellte die Sendung "Theo.Logik" des Bayrischen Rundfunks am 2. Oktober 2023 verschiedenen Expert:innen aus Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft. Für das IFSH erörterte Dr. Anna Kreikemeyer, ob die Zeit reif sei für Verhandlungen, welche Rolle die Kirche und die Zivilgesellschaft beim gesellschaftlichen Friedensaufbau spielen und wie ihre Erfolgsaussichten dabei sind.
Kreikemeyer vertrat die Ansicht, dass die Kirchen wie auch viele zivilgesellschaftliche Einrichtungen in ihrem Ringen um Stellungnahmen zum Einsatz militärischer Gewalt gegen den russischen Angriffskrieg in schwierige Dilemmata geraten sind. Einerseits hielten viele Menschen das Recht auf Notwehr gegen den Angreifer für legitim, andererseits läge ihnen viel an gewaltfreien Formen des Konfliktaustrags ohne dabei dem russischen Präsidenten in die Hände spielen zu wollen. Momentan schienen sich die Kirchen in einer Art hilflosen Ohnmacht zu befinden, stellte die Friedensforscherin fest. Zumal sie die vielfältigen Solidaritätsbekundungen gegenüber der Ukraine und die anhaltende humanitäre Hilfe für Geflüchtete viel Kraft gekostet hätten.
Angesichts dieser Situation verwies Kreikemeyer auf Möglichkeiten den zivilgesellschaftlichen Friedensaufbau wieder stärker ins Blickfeld zu rücken. Zunächst gelte es den Kontakt zu ukrainischen Menschen in Deutschland zu suchen, z.B. zu geflüchteten Frauen und Jugendliche. Von gemeinsamen künstlerischen oder praktischen Aktivitäten könnten erste Impulse ausgehen, Dialoge und sensible Gesprächsformate zu entwickeln, darunter auch mit friedenswilligen Russ:innen in der Diaspora. Wichtig sei, gegenseitiges Zuhören zu ermöglichen, Distanzwünsche ernst zu nehmen und dennoch auch Visionen über eine friedliche Zukunft zu entwickeln. Solche kleinen Schritte des gesellschaftlichen Friedensaufbaus könnten durchaus wirksam sein, ihre Reichweite sei aber lokal begrenzt, räumte die IFSH-Expertin ein.
Das vollständige Interview mit Dr. Anna Kreikemeyer in der BR2-Sendung „Theo.Logik. Die Rolle der Kirchen im Krieg gegen die Ukraine" vom 02.10.2023 können Sie hier nachhören.