Überall in Europa sind Rechtspopulist:innen und Rechtsnationalist:innen auf dem Vormarsch, erringen in nationalen Parlamenten politische Macht. Polen ist es im vergangenen Jahr gelungen, diese Entwicklung zurückzudrehen: Nach acht Jahren wurde die rechts-autoritäre PIS (Partei für Recht und Gerechtigkeit) von einem breiten Parteienbündnis abgelöst. Wie war dies möglich und was können andere Länder davon lernen – insbesondere für die bevorstehende Europawahl? Darüber diskutierte IFSH-Forscher Dr. Hendrik Hegemann auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg am 11. April mit Małgorzata Kopka-Piątek vom Institute of Public Affairs in Warschau.
Eine starke Zivilbevölkerung und eine große Unzufriedenheit mit der schlechten wirtschaftlichen Lage und den politischen Beschlüssen der rechts-autoritären PIS-Regierung seien entscheidende Triebfedern gewesen, erklärte Politologin und Germanistin Kopka-Piątek. Vor allem unter der weiblichen Bevölkerung wuchs der Widerstand. Frauen gingen zu Tausenden auf die Straße, um unter anderem gegen das restriktive Abtreibungsrecht zu protestieren. Diese Proteste und die Mobilisierung der Zivilgesellschaft hätten schließlich zu einer hohen Wahlbeteiligung und Abwahl der rechts-autoritären PIS-Partei geführt, fasste Kopka-Piątek zusammen.
Hendrik Hegemann führte aus, was gegen gesellschaftliche Polarisierung getan werden könne und erläuterte, was rechtspopulistische und rechtsnationale Kräfte in den einzelnen europäischen Ländern eint und was sie trennt. Ein wichtiges gemeinsames Thema sei die Migration, ein Thema, das stark polarisiere und überall dort, wo es im Wahlkampf eine zentrale Rolle gespielt habe, meistens zu einem Erstarken der rechten Parteien geführt habe. In wirtschaftspolitischen Fragen gebe es hingegen große Unterschiede zwischen den rechten Parteien Südeuropas und jenen in Nordeuropa, so Hegemann.
Ein einfaches Rezept gegen ein Erstarken von rechten Kräften gebe es leider nicht. Aber eine starke Zivilgesellschaft, die nicht mit einer Gegenpolarisierung auf eine emotional aufgeladene Stimmung im Lande reagiere, sei eine gute Voraussetzung im Kampf gegen Rechts, erklärte der IFSH-Wissenschaftler.
Dass dieser Kampf nötiger denn je sei, zeige der Blick in jene Länder, in denen rechtsnationale Kräfte bereits demokratische Rechte, wie etwa die Pressefreiheit beschnitten hätten. Sei der Prozess der Autokratisierung eines Landes erst einmal in die Wege geleitet, lasse er sich nicht so schnell wieder zurückdrehen. Auch dann nicht, wenn wieder Parteien aus der politischen Mitte in die Regierungsverantwortung kämen, waren sich die Experten einig.
Einen Mitschnitt der Veranstaltung vom 11.04.2024 sehen Sie hier.
Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Politisch stellen, aber wie? Strategien gegen rechts“ der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg in Kooperation mit der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, dem Diakonischen Werk Hamburg und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg.