Produktive und kontraproduktive Sanktionen

11.03.2013

Michael Brzoska

Der UN-Sicherheitsrat hat neue Sanktionen gegen Nordkorea verhängt, in den USA und der EU werden weitere Sanktionen gegen den Iran diskutiert.

Bisher ist allerdings nicht sichtbar, dass diese Sanktionen die gewünschten politischen Wirkungen haben. Weder das nordkoreanische noch das iranische Regime scheinen ihre Atomprogramme, die jeweils im Zentrum der Forderungen nach Veränderung stehen, einzuschränken.

Sind die Sanktionen nicht hart genug? Müssen sie weiter verschärft werden?

In beiden Fällen spricht wenig dafür. Sanktionen können auf verschiedenen Wegen den Erfolg bringen, den sich die Sanktionierenden erhoffen. Sie können die Entscheidungskalküle derjenigen verändern, die über die sanktionierte Politik entscheiden. Oder sie können zu einem Regimewechsel beitragen und einer Regierung an die Macht verhelfen, die eine andere Politik betreibt. Für beides gibt es Beispiele aus der Vergangenheit: etwa die Sanktionen gegen Südafrika, die der weißen Oberschicht zu teuer wurden, oder die Sanktionen, die zur Absetzung des liberianischen Machthabers Charles Taylor beitrugen. Insgesamt allerdings ist die Bilanz von Sanktionen nicht sehr gut: Nur in etwa zehn Prozent der Fälle kam es durch Sanktionen zum gewünschten Politikwechsel.

Gezielte Sanktionen gegen die Machthabenden in Nordkorea und den Iran haben keine Wirkung gezeigt. Man kann darüber spekulieren, warum dies nicht der Fall war, vermutlich waren ihnen die Atomprogramme wichtiger als persönliche Nachteile durch Reisebeschränkungen oder das Einfrieren von Konten.

Nachdem dieser Ansatz keine politischen Wirkungen gezeigt hatte, wurden in beiden Fällen umfassendere Sanktionen verhängt. Im Falle Nordkoreas trafen sie weitere Kreise der gesellschaftlichen Elite, im Falle des Irans wird darüber hinaus inzwischen die gesamte Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen. 

Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass die umfassenderen Sanktionen dazu führen, dass die Machthabenden in Gefahr geraten. Nordkorea ist ein totalitärer Staat, Protest und Opposition sind nicht möglich. Die Hoffnung, dass es innerhalb der Elite möglicherweise zu Spannungen kommen könnte, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die Sanktionen, die nun alle Teile der Elite treffen, scheinen sie noch stärker zusammenzuschweißen. Ein Anzeichen dafür war der im Vergleich zum Machtwechsel von Kim Il-Sung auf Kim Jong-Il weit reibungslosere Machtübergang auf Kim Jong-Um nach dem Tod seines Vaters.

In Iran sind Proteste und Opposition nicht unbekannt, auch wenn sie wie die „grüne Revolution“ vom Sommer 2009 mit Gewalt unterdrückt werden. Aber die umfassenden Sanktionen des letzten Jahres, die unter anderem zur Halbierung der Erdöleinnahmen, galoppierender Inflation, erheblichen Mängeln im Gesundheitswesen und stark steigenden Lebenshaltungskosten der Bevölkerung geführt haben, haben keine Proteste gegen das Atomprogramm ausgelöst. Im Gegenteil, alle relevanten politischen Kräfte einschließlich der Opposition im Ausland unterstützen weiterhin die offizielle Linie, dass der Iran ein Recht auf die zivile Nutzung der Atomenergie habe, und lehnen die umfassenderen Sanktionen ab. Die Bevölkerung leidet zunehmend unter den Sanktionen, macht dafür aber an erster Stelle das westliche Ausland und nicht das Atomprogramm der Regierung verantwortlich.

Sind Sanktionen deshalb überflüssig? Keineswegs, denn Sanktionen haben auch andere Funktionen. Sie können Handlungsspielräume beschränken, zum Beispiel die Möglichkeit, Atomtechnologie aus dem Ausland zu importieren. Sanktionen scheinen sowohl in Nordkorea als auch im Iran dazu beizutragen, den Zufluss von relevanter Technologie aus dem Ausland zu erschweren, wenn auch nicht vollständig zu unterbinden. Hier gibt es noch Spielraum für Verbesserungen.

Sanktionen senden auch politische Signale. Mit ihnen soll über Worte hinaus die Ablehnung eines bestimmten Verhaltens deutlich werden. Die Signalwirkung von Sanktionen beinhaltet aber auch eine Gefahr: Ändern die Sanktionierten ihr Verhalten nicht, besteht bei den Sanktionierenden die Tendenz, die Sanktionen immer weiter zu verschärfen, auch wenn sie keine politische Wirkung zeigen.

Das ist besonders dann ein Problem, wenn sie, als umfassende Sanktionen, die Bevölkerung treffen. Wie verschiedene Untersuchungen belegen, haben die Iran-Sanktionen inzwischen insbesondere im Gesundheitsbereich erhebliche humanitäre Folgen. Bei nur geringer Aussicht auf politische Resultate sind Sanktionen mit erheblichen humanitären Wirkungen unethisch: Sie bestrafen Unschuldige.

Das stärkste Argument für die Beibehaltung und möglicherweise sogar Verschärfung der Iran-Sanktionen sind die drohenden Militärschläge Israels und möglicherweise auch der USA gegen den Iran. Insbesondere in der EU sind die scharfen Sanktionen damit begründet worden, dass alles versucht werden müsse, Iran zum Einlenken zu bringen, da sonst ein Krieg drohe.

Das Argument, dass man alles versuchen müsse, um einen Krieg zu verhindern, lässt sich auch für eine andere Art Sanktionspolitik nutzen. Warum nicht ein massives Stipendienprogramm für iranische Studierende im Ausland auflegen? Warum nicht den iranischen Gesundheitssektor kostenlos mit den Medikamenten versorgen, deren Einfuhr an den Finanzsanktionen scheitert? Vielleicht würde eine westliche Charmeoffensive die Bevölkerung im Iran eher beeindrucken als drückende Sanktionen. Vielleicht auch nicht. Aber ein solcher Versuch erscheint immer noch erfolgversprechender als das weitere Drehen an der Sanktionsschraube.

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