Im Europajournal-Podcast des ÖRF spricht Dr. Ulrich Kühn über den geplanten Austritt Russlands aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) und den Stand der Rüstungskontrolle in Europa und der Welt. Der KSE-Vertrag, der 1992 in Kraft getreten ist und eine Obergrenze für konventionelle Streitkräfte in Europa definiert, befand sich seit mehr als 20 Jahren in der Krise. 2007 hatte Russland den Vertrag bereits suspendiert, also quasi ruhen lassen. Am 10. Mai hat der russische Präsident nun den formellen Austritt seines Landes aus dem Vertrag angeordnet. Mit dem Wegfall der konventionellen Rüstungskontrolle stürze damit ein weiterer Pfeiler der europäischen Sicherheit ein und eine Ära der kooperativen Sicherheitspolitik in Europa gehe zu Ende, so der Friedensforscher.
Auch um Verträge, die sich mit der Kontrolle von Atomwaffen befassten, wie etwa der NEW-START Vertrag, stehe es schlecht. Anders als im Kalten Krieg, sagt Ulrich Kühn, sei die Lage heute komplizierte, da mit China ein weiterer politischer Akteur auf die politische Bühne getreten sei. Kühn prognostiziert deshalb zunehmende internationalen Spannungen und künftige neue Rüstungswettläufe, auch deshalb, weil die Chancen für die klassische Rüstungskontrolle mit Verträgen und Obergrenzen derzeit nicht gut seien. Andere risikominimierende Maßnahmen, insbesondere die verhaltensorientierte Rüstungskontrolle, könnten mehr Erfolg haben. Unter dem Ansatz der verhaltensorientierten Rüstungskontrolle versteht man die Verständigung mehrerer internationaler Partner darauf, dass bestimmte Handlungen unerwünscht sind und somit stigmatisiert werden.
Das ausführliche Interview können Sie als Podcast in der ORF-Mediathkek hören oder als Kurzfassung im Ö1-Mittagsjournal vom 11.05.23.