Wer gewinnt den Friedensnobelpreis 2022?

IFSH-Pressemitteilung

 

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2021 erhielten die Journalisten Maria Ressa und Dmitri Muratow den Friedensnobelpreis. (c) picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt


Am 7. Oktober wird das Nobelpreis-Komitee in Oslo bekannt geben, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis bekommen wird. Prof. Dr. Michael Brzoska, ehemaliger Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), mit einer Prognose und Einschätzung, wer in diesem Jahr preiswürdig wäre:

In diesem vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine geprägten Jahr dürfte dem Nobelpreis-Komitee die Auswahl besonders schwerfallen. Die Zeichen der Zeit stehen nicht auf „Verbrüderung der Völker und der Abschaffung oder Verminderung stehender Heere“, den von Alfred Nobel in seinem Testament genannten vorrangigen Zielen des von ihm gestifteten Preises. Stattdessen dürfte man in Oslo vor allem darauf geschaut haben, wie langfristig der Frieden innerhalb und zwischen Staaten gesichert werden kann. Damit rücken viele Kandidatinnen und Kandidaten ins Blickfeld. Eine Gruppe möglicher Preisträger sind internationale Organisationen, die auch in schwierigen Zeiten versuchen, die internationale Ordnung und das Völkerrecht aufrecht zu erhalten. Eine zweite, immer preiswürdige Gruppe sind Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, die unter großen persönlichen Opfern gegen Repression und Gewalt kämpfen. Bei der Wahl des Komitees dürften Kandidatinnen und Kandidaten mit Bezug zum Krieg in der Ukraine besonders gute Chancen haben.

Die Friedensnobelpreis-Favoritenliste von Prof. Dr. Michael Brzoska:

 

·       Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag

Mit dem IStGH hat die internationale Gemeinschaft ein rechtliches Instrument gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen geschaffen. Der Krieg in der Ukraine hat besonders deutlich gemacht, wie notwendig der IStGH ist, aber auch wie begrenzt seine Möglichkeiten sind, nicht zuletzt, weil große Staaten wie China, Russland und die USA ihn nicht anerkennen. Mit einer Verleihung des Preises an den IStGH (oder auch an mit ihm in besonderer Weise verbundene Personen, wie die frühere Chefanklägerin Fatou Bensouda) könnte das Nobelpreiskomitee die öffentliche Aufmerksamkeit für den IStGH erhöhen.

·       António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN)

In der Vergangenheit sind bereits mehrere herausragende Führungspersönlichkeiten der VN mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden, weil sie sich aktiv für den Frieden eingesetzt haben. Das hat der jetzige Generalsekretär an verschiedenen Orten getan, zuletzt im Krieg in Äthiopien. Auch sein Beitrag zu den erfolgreichen Verhandlungen über den Export von Getreide aus der Ukraine zeigte sein großes Engagement. Gerade in den aktuellen Zeiten globaler Konfrontation könnte dem Nobelkomitee ein Signal zur Stärkung der VN sehr wichtig sein.

·       Alexei Navalny, Russland

Die Verdienste Alexei Navalnys liegen vor allem im Feld der Korruptionsbekämpfung. Durch die harsche, lebensbedrohende Verfolgung, der er ausgesetzt ist, ist er zu einem Symbol für den Kampf gegen das autoritäre Regime in Russland insgesamt geworden. Mit Preisverleihungen an besonders gefährdete Aktivisten hat das Nobelkomitee in der Vergangenheit schon öfter nicht nur deren mutige Arbeit würdigen, sondern sie auch persönlich vor weiterer Verschlechterung ihrer Lage bewahren wollen.

·       Maria Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo, Belarus

Das weibliche Dreigestirn der Opposition nach den gefälschten Wahlen vom August 2020 in Belarus wurde schon 2021 häufig unter die Favoritinnen und Favoriten für den Friedensnobelpreis gezählt. Gerade weil die Situation in Belarus durch den Krieg in der Ukraine weitgehend aus den Nachrichten verschwunden ist, könnte das Nobelkomitee in Oslo veranlasst sein, durch die Preisverleihung an die mutigen Frauen und ihren gewaltlosen Kampf gegen ein autoritäres Regime zu erinnern.

·       Ella Michailowna Poljakowa, St. Petersburg

Unter sehr schwierigen Bedingungen setzen die „Soldatenmütter Russlands“ ihre Arbeit fort. In der Vergangenheit bestand sie vor allem in der Rechtsberatung für oftmals schlecht behandelte Wehrpflichtige und der Betreuung der Angehörigen von in Kriegseinsätze geschickte Soldaten. Durch die Erklärung zum ausländischen Agenten wurden die Aktivitäten der Dachorganisation „Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands“ stark eingeschränkt. Trotzdem arbeiten einzelne Gruppen in verschiedenen Städten weiter. Aktuell helfen sie vor allem Angehörigen, das Schicksal von in der Ukraine eingesetzten Soldaten aufzuklären. Ella Poljakowa, lange Zeit sehr aktive Leiterin des Komitees in St. Petersburg und auch auf Landesebene, ist die international bekannteste der Soldatenmütter Russlands.

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