„Speak truth to power!“ Übersetzt ins Deutsche würde dieses aus dem Englischen stammende Bonmot ungefähr lauten: „Zögere nicht, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen!“ In wenigen Worten fasst es die Ziele und Zielkonflikte guten Wissenstransfers zusammen.
Da wäre zunächst der Anspruch, empirisch abgesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. Dann gilt es, diese „den Mächtigen“ – also politisch einflussreichen Personen – verständlich zu vermitteln. Und dies alles eben auch dann, wenn die Ergebnisse der Wissenschaft vielleicht sogar vorhersehbar auf Unbehagen, Zweifel oder gar Ablehnung stoßen. Am schwierigsten wird der Spagat, wenn Adressat und finanzieller Förderer wissenschaftlicher Arbeit ein und dieselbe Person oder Institution sind. Wie weit geht dann die Unabhängigkeit der Wissenschaft? Wie mutig darf und muss Wissenschaft sein? Wo setzt möglicherweise die eigene „Schere“ im Kopf an?
Seit vielen Jahrzehnten betreibt das IFSH erfolgreich den Wissenstransfer in Politik und Gesellschaft. Wolf Graf von Baudissin formulierte den Anspruch des „Bürgers in Uniform“ in seinem stetigen Austausch mit Bundeswehr und Verteidigungsministerium. Angeleitet von Egon Bahr berieten IFSH-Wissenschaftler*innen zum Ende des Kalten Kriegs die Bundesregierung bei Fragen der Rüstungskontrolle, knüpften Kontakte bis in die höchsten Ebenen des Kremls und nach Ostberlin. Den Aufbau der neuformierten „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) begleitete bald das weltweit einzige „Zentrum zur Erforschung der OSZE“ (CORE), und als ab 2001 der sicherheitspolitische Fokus nach Afghanistan und den Kampf gegen den Terrorismus schwenkte, arbeiteten IFSH-Kolleg*innen an präventiven und friedensfördernden Konzepten.
Diverse Weißbücher, Richtlinien zum Waffenexport und Berichte zu Technikfolgenabschätzungen entstanden unter Hinzuziehung der kritischen Analyse aus Hamburg. In unzähligen informellen Treffen und öffentlichen Anhörungen standen die Forscher*innen des IFSH Rede und Antwort.
Die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit sind jedoch durchaus ambivalent. Auf der Habenseite wäre da zunächst das gesteigerte Interesse der Politik am Wissenstransfer „Made in Hamburg“. Untermauert wird dieses Interesse durch großzügige Förderung in einem Ausmaß, wie es das Institut so noch nicht erlebt hat. Damit stellt sich jedoch umso mehr die Frage nach der kritischen Distanz. Gleichzeitig wird wissenschaftlich fundierter Wissenstransfer gesellschaftlich immer relevanter – auch und gerade als Korrektiv zu Politikverdrossenheit, sogenannten Fake News und postfaktischen Bewegungen.
All dies führt zum letzten und vielleicht wichtigsten Ziel im Dialog mit „den Mächtigen“. Denn alle Macht geht in Deutschland vom Volke aus. Es ist daher das stete Hineinwirken in die Breite der Gesellschaft, die Mitnahme der interessierten Öffentlichkeit, die umso mehr die Anstrengung der Wissenschaft erfordert. Mittels neuer digitaler Formate und in Form eines ambitionierten interaktiven Arbeitsprogramms – „Doing Peace!“ – stellt sich das IFSH dieser Herausforderung.
Für uns Wissenschaftler*innen bedeutet dies nicht nur, den Forschungsfokus neu zu kalibrieren. Es bedeutet auch, in gesellschaftspolitischen Debatten wieder präsenter zu sein und vor Kontroversen nicht zurückzuscheuen. Nur proaktiv verbreitetes Orientierungswissen, jenseits der wissenschaftlichen Komfortzone, hat eine ehrliche Chance, aktiv zu Frieden und Sicherheit im 21. Jahrhundert beizutragen.