„Die Eckpunkte adressieren zahlreiche Schwachstellen der gegenwärtigen Rüstungsexportpolitik. Aber ein großer Wurf hin zu mehr Restriktivität wird das geplante Rüstungsexportgesetz nicht.”
Die Bundesregierung will in den nächsten Wochen ein Rüstungsexportgesetz vorlegen. Das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat in der Vorbereitung darauf detaillierte Eckpunkte erarbeitet. Werden diese umgesetzt, kommt es zu zahlreichen Verbesserungen der deutschen Rüstungsexportpolitik. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass das Volumen der deutschen Rüstungsexporte sinkt. Auch Genehmigungen für Rüstungsexporte an Staaten, die im Hinblick auf Kriterien wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit problematisch sind, werden weiter möglich sein.
Deutschland bekommt erstmalig ein Rüstungsexportgesetz. Bislang stützte sich die Kontrolle der Rüstungsexporte auf mehrere nationale und internationale Grundlagen. Die Vereinheitlichung in einem Rüstungsexportgesetz ist nicht nur eine Vereinfachung, sondern schafft auch mehr Konsistenz und Klarheit. So wird der Kreis der Staaten, die den NATO-Mitgliedsstaaten gleichgestellt sind, erweitert. Auch wird das Recht auf Selbstverteidigung, wie aktuell im Fall der Ukraine, klarer als Entscheidungskriterium herausgehoben als vorher. Allerdings bleibt die Vereinheitlichung an einigen Stellen zaghaft. So können Rüstungsfirmen nach wie vor gerichtlich gegen Exportablehnungen vorgehen, die Rüstungsgüter betreffen, die nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Ein von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere den beiden großen Kirchen, gefordertes Verbandsklagerecht für erteilte Genehmigungen sehen die Eckpunkte hingegen nicht vor. Das Ungleichgewicht zugunsten der Rüstungsfirmen bleibt damit erhalten.
Mehrere der in den Eckpunkten vorgesehenen Neuerungen eröffnen den Genehmigungsbehörden größere Entscheidungsspielräume. Damit wird gleichzeitig die Umsetzung einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik erleichtert, andererseits aber auch neuer Spielraum für großzügigere Entscheidungen eröffnet, sollte dies politisch gewollt sein. Um dauerhaft Restriktivität zu sichern, müssten die Entscheidungskriterien nicht nur allgemein, sondern auch klar und weniger dehnbar benannt werden. Begrüßenswert ist, dass bei der Genehmigung von Rüstungsexporten künftig stärker als bisher Menschenrechte beachtet werden sollen. So sieht es das Eckpunktepapier vor. Für andere Gesichtspunkte, etwa Demokratie und Rechtstaatlichkeit, finden sich allerdings keine entsprechenden Pläne.
Wichtige Korrektive der Rüstungsexportpolitik sind der Bundestag und die Öffentlichkeit. Die Transparenz über Rüstungsentscheidungen soll gestärkt werden, zum Beispiel über eine öffentliche Datenbank. Es bleibt aber bisher offen, welche Informationen die Datenbank enthalten soll. Positiv ist die Ankündigung der Schaffung einer Meldestelle zu bewerten, die Informationen über im Ausland illegal weitergegebene oder abhandengekommene Waffen bearbeiten soll.
Weit offenes Tor für Rüstungsexporte aus Deutschland bleiben Gemeinschaftsvorhaben mit anderen Ländern. Die Eckpunkte sehen die Festschreibung des Vorrangs europäischer Kooperationsvorhaben vor nationalem Kontrollinteresse vor. Nur halbherzig wird der Versuch angekündigt, die deutsche Verhandlungsmacht, die durch das Sondervermögen Bundeswehr deutlich gestiegen ist, dazu einzusetzen, den nationalen Regelungen mehr Gewicht zu verleihen, etwa durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen bei Kooperationsprojekten. Zur Produktionsauslagerung von Rüstungsgütern in andere Länder findet sich in den Eckpunkten nichts. Deshalb ist zu erwarten, dass durch die Internationalisierung der Rüstungsproduktion die deutsche Rüstungsexportkontrolle auch weiterhin ausgehebelt wird.
Die Eckpunkte adressieren zahlreiche Schwachstellen der gegenwärtigen Rüstungsexportpolitik. Aber ein großer Wurf hin zu mehr Restriktivität wird das geplante Rüstungsexportgesetz, wenn es bei den Eckpunkten bleibt, nicht. Zu zaghaft bleiben die Verfasser:innen in vielen wichtigen Punkten. Spektakuläre Fälle wie zuletzt die Zulieferung deutscher Rüstungskomponenten für Kampfflugzeuge für das in den Jemenkrieg verwickelte Saudi-Arabien werden auch in Zukunft möglich bleiben.
Prof. Dr. Michael Brzoska ist Senior Research Fellow und ehemaliger wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).