Abschluss des Jubiläumsjahres: Veranstaltung mit OSZE-Generalsekretärin
Russland verlegt rund hunderttausend Soldaten und Kriegsgerät an die ukrainische Grenze, die USA versetzen ihre Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft und die Europäer ringen um eine einheitliche Position: Das Thema der offiziellen Abschlussveranstaltung des IFSH-Jubiläumsjahres hätte aktueller nicht sein können. In Kooperation mit der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund hatte das Berliner Büro des IFSH am Abend des 24. Januar 2022 zur Online-Diskussionsveranstaltung „Die Zukunft der europäischen Sicherheit: Kooperation oder Konfrontation?“ eingeladen. Ursprünglich war eine Präsenzveranstaltung mit Publikum in den Räumlichkeiten der Hamburger Landesvertretung in Berlin geplant. Pandemiebedingt wurde das Event dann jedoch per Live-Stream am Bildschirm übertragen.
Alle Dialogformate nutzen, um Krise zu entschärfen
Prominente Gastrednerin des Abends war OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid. Die aktuelle Lage sei sehr besorgniserregend, hob Schmid in ihrer Keynote hervor. Jetzt sei es umso wichtiger alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, um eine Deeskalation der aktuellen Lage zu erreichen. Die OSZE habe die Instrumente, die Formate und die Expertise, die es brauche, um Vertrauen zwischen Staaten zu schaffen, die sich im Grunde nicht vertrauten. „Mit der Schlussakte von Helsinki haben wir schon einmal unüberbrückbare Gegensätze und Gräben zwischen Ost und West überwunden. Das können wir wieder schaffen“, so Schmid.
OSZE-Forschung ist ein Alleinstellungsmerkmal des Instituts
Weil neben den neuen sicherheitspolitischen Bedrohungen auch die klassischen militärischen Bedrohungen den Europäern Sorge bereiteten, spielten Forschungsinstitute wie das IFSH eine zentrale Rolle. „Mit Ihren wissenschaftlichen Arbeiten liefern Sie sowohl für die interessierte Öffentlichkeit als auch für politische Entscheidungsträger sehr wichtige Analysen. Mit dem Zentrum für OSZE-Forschung, CORE, hat das IFSH ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Nur hier wird die Arbeit der OSZE systematisch wissenschaftlich erforscht und begleitet. Damit sind Sie auch wichtiger Impulsgeber für uns“, erklärte die OSZE-Generalsekretärin.
Almut Möller, Staatsrätin und Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, der EU und für auswärtige Angelegenheiten, betonte die enge Verbundenheit der Hansestadt mit dem IFSH. Der Frieden habe in Hamburg Verfassungsrang, sagte Möller mit Hinweis auf die Präambel der Hamburger Verfassung. Die aktuelle Krise zeige, wie wichtig es sei das IFSH als Einrichtung zu stärken.
Sicherheit umfassender begreifen und denken als bisher
30 Jahre nach dem Kalten Krieg stehe Europa am Wendepunkt. Zentrale Akteure wie die Bundesregierung müssten nun entscheiden, welcher Weg eingeschlagen werde, erläuterte Prof. Dr. Ursula Schröder, Wissenschaftliche Direktorin des IFSH. Wichtige Verträge zur Rüstungskontrolle erodierten, die Afghanistan-Mission sei gescheitert und internationale Kooperationen würden brüchig, gerade jetzt, wo wir mehr als sonst auf Zusammenarbeit angewiesen seien, so die IFSH-Direktorin. All dies bestätige, dass Sicherheit umfassender gedacht werden müsse.
An der anschließenden Paneldiskussion unter der Moderation von Dr. habil. Cornelius Friesendorf, dem Leiter des OSZE-Forschungszentrums CORE am IFSH, nahm neben Almut Möller und Ursula Schröder auch Prof. Dr. Gwendolyn Sasse teil, die als Wissenschaftliche Direktorin das Zentrum für Osteuropa und internationale Studien (ZOiS) leitet. Die Expertinnen diskutierten, wie ein zeitgemäßer Ansatz für kooperative Sicherheit in Europa aussehen müsste und welche Rolle Europa bei der Sicherung des Friedens übernehmen könne.
Europa als Motor kollektiver Sicherheitspolitik
Die aktuelle Situation zeige die Schwäche der Europäischen Union, die keine kohärente Position in wichtigen strategischen Fragen habe, hieß es. Die Gefahr bestehe darin, dass Europa sich auseinandertreiben lasse. Die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen machten einmal mehr deutlich, dass es zu einer stärkeren Zusammenarbeit sowohl innerhalb der EU als auch global keine Alternative gebe. Die Chancen, dass dies gelingen kann, stünden gut. Denn Europa habe nicht zuletzt aufgrund seiner Vergangenheit die Fähigkeiten, die Instrumente und die Werte, die es brauche und die es weiterzutragen gelte. Und nicht zuletzt habe es die Europäische Union bereits geschafft, ein Friedensprojekt nach innen zu sein.
Die geladenen Gäste der Veranstaltung aus Politik, Diplomatie und Wissenschaft verfolgten die rund anderthalb stündige Veranstaltung mit Interesse und bekamen im Anschluss Gelegenheit, Fragen zu stellen oder zum Gesagten Stellung zu beziehen.
Für das IFSH ging mit dieser Veranstaltung sein Jubiläumsjahr offiziell zu Ende. Mehr als ein Jahr lang hatte das Hamburger Friedensforschungsinstitut mit unterschiedlichen Aktionen und Veranstaltungsformaten sein 50-jähriges Bestehen gefeiert.