Das Internationale Fellowship-Programm Graf Baudissin des IFSH

Dr. Hans-Georg Ehrhart

Zwischen dem IFSH und Wolf Graf Baudissin bestehen vielfältige Bezugslinien. Die wichtigste liegt in der Entscheidung, den 1967 in den Ruhestand versetzten Generalleutnant 1971 zum Gründungsdirektor des IFSH zu berufen. Er bekleidete dieses Amt 13 Jahre lang und lehrte gleichzeitig an der Universität Hamburg. Der Name Baudissin steht für zwei Konzepte, die die Arbeit des IFSH stark beeinflussten. Zum einen das Konzept der Inneren Führung mit seinen beiden Leitbildern „Staatsbürger in Uniform“ und „Soldat für den Frieden“ und zum anderen sein Konzept der kooperativen Rüstungssteuerung. Während Fragen der Inneren Führung seit wenigen Jahren keine Forschungsrelevanz mehr für das IFSH haben, sind Rüstungskontrolle und Abrüstung weiterhin zentrale Forschungsschwerpunkte.

Verbindungsoffizier im Team als wichtiger Impulsgeber

Baudissin führte auch den „Military Fellow“ am IFSH ein. Von Beginn an hat das IFSH als einziges deutsches Forschungsinstitut neben der Stiftung Wissenschaft und Politik das Privileg, regelmäßig einen Generalstabsoffizier der Bundeswehr in seinen Reihen zu haben. Bislang waren es 24 Offiziere. Dadurch entstand eine institutionalisierte Verbindung zur Bundeswehr. Diese formal als „Militärischer Anteil IFSHBw“ bezeichnete Stelle dient als Ansprechpartner für streitkräftespezifische Fragen. Zudem arbeitet der Soldat wissenschaftlich zu fachspezifischen Themen und ist damit Ausdruck des ganzheitlichen Ansatzes von Baudissin, der bereits früh den politisch und wissenschaftlich gebildeten Offizier forderte.

Das „Internationale Fellowship-Programm Graf Baudissin“ ist eine weitere Verbindungslinie. Das zunächst lange von der Volkswagen-Stiftung und später vom Deutschen Bundeswehrverband geförderte Transferprojekt lief von 1995 bis 2015. Im Programm studierten vorrangig Offiziere, aber auch zivile Angehörige der jeweiligen Verteidigungsadministration aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Mittel- und Osteuropas sowie des ehemaligen Jugoslawiens zwei Themenkomplexe: die Rolle von Streitkräften in einer demokratischen Gesellschaft und die Herausforderungen des Aufbaus einer europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts.

Konzept der Inneren Führung als Basis

Ausgangspunkt der Lehre waren das Konzept der Inneren Führung und Fragen der europäischen Sicherheit aus der Perspektive Graf Baudissins sowie die Anwendbarkeit seiner Erkenntnisse auf den Transformationsprozess des jeweiligen Herkunftslandes des Baudissin-Fellows. Das Transferprojekt war ein expliziter Beitrag des IFSH zur Verbreitung des Gedankenguts von Graf Baudissin mit dem Ziel der Stärkung der jungen Demokratien nach dem Ende des Ost-West-Konflikts.

Geleitet wurde das Fellowship-Programm von Dr. Hans-Georg Ehrhart, unterstützt von den jeweiligen Military Fellows der Bundeswehr am IFSH. Langjährige Unterstützung leisteten auch externe Experten für die Innere Führung und europäische Sicherheit wie Dr. Detlef Bald (vormals Leitender Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr), Oberstleutnant a.D. Prof. Claus von Rosen (Leiter des Baudissin-Archivs an der Graf-Baudissin-Kaserne in Hamburg) und Oberstleutnant Dr. Michael Fröhling (Zentrum Innere Führung der Bundeswehr). Zum Projektbeirat gehörten Prof. Dr. Adam Rotfeld (Direktor SIPRI), Dr. Hans-Henning Schröder (Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien) und Prof. Dr. Arnold Sywottek (Universität Hamburg).   

Programmteilnehmer aus aller Welt

In einem Projektzeitraum von zwanzig Jahren studierten 30 Baudissin-Fellows aus 14 Ländern am IFSH (ehemalige Sowjetunion: 5, Ost- und Mitteleuropa: 6, ex-Jugoslawien: 3). Die meisten Teilnehmer kamen aus der Ukraine (5), Bulgarien (4), Ungarn (3) und Rumänien (3), gefolgt von Estland (2), Georgien (2), Polen (2), Slowakei (2), Tschechien (2), Belarus (1), Bosnien-Herzegowina (1), Kroatien (1), Mazedonien (1) und der Russländischen Föderation (1). Sie besuchten während ihres Studiums das Zentrum für Innere Führung, nationale und internationale Konferenzen und publizierten ihre Erkenntnisse, u.a. in den Hamburger Beiträgen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

Baudissin war übrigens der Ansicht, dass das Konzept der Inneren Führung und die Leitidee des „Staatsbürgers in Uniform“ keine Produkte seien, die man ohne weiteres in andere Länder exportieren könnte. Beide Konzepte sind sehr spezifische Schöpfungen, hervorgegangen aus der unsäglichen Geschichte des deutschen Nationalsozialismus und der Rolle des Militärs als seinem willigen Helfer. Gleichzeitig ist die Überzeugung, dass die Streitkräfte in einer Demokratie der zivilen Kontrolle unterliegen und selbst Teil der demokratischen Gesellschaft sein müssen zumindest in liberalen Demokratien allgemein anerkannt. Dass dies aber nicht immer so bleiben muss, zeigen die zunehmenden rechtsextremistischen Vorfälle in der Bundeswehr. Baudissins Ideen bleiben also aktuell und ihre praktische Umsetzung notwendig.

 

Dr. Hans-Georg Ehrhart ist Senior Research Fellow am IFSH.   

Wolf Graf von Baudissin (c) von Rosen 1969