Macht und Ohnmacht der UN

Diskussionsabend im HADLEY’s mit Dr. Holger Niemann

Die Abendsalons im HADLEY‘s sind beliebt und regelmäßig gut besucht, aber bei der jüngsten Veranstaltung war der Andrang so groß wie noch nie zuvor: Die Vereinten Nationen (VN) und ihre (Un-)Tätigkeit bei den aktuellen Krisen und Kriegen waren das Thema. Dr. Holger Niemann, UN-Experte am IFSH, gab Einblicke über die Arbeit der „Weltpolizei“, die er während seiner Zeit im UN-Hauptquartier in New York gewonnen hatte und sprach über Aufgaben, Erfolge und Misserfolge der Vereinten Nationen.  

Der Krieg gegen die Ukraine könnte eigentlich wie kein zweiter aktueller Konflikt die Bedeutung der Vereinten Nationen verdeutlichen, erklärte Holger Niemann: Die Verletzung staatlicher Souveränität durch einen Aggressor, ein zwischenstaatlicher Konflikt, dokumentierte Menschenrechtsverletzungen, eine klare Verletzung des Völkerrechts – genau für solche Vergehen seien die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden. Und dennoch scheinen sie in der gegenwärtigen Krise offenbar machtlos zu sein und keine Sanktionsmöglichkeiten gegen den Aggressor Russland zu haben. Dies habe viel mit dem Aufbau der VN und speziell ihres Sicherheitsrates zu tun, in dem über Zwangsmaßnahmen entschieden werde. Das Vetorecht der fünf Ständigen Mitglieder sei nach dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich als Schutzmechanismus etabliert worden, damit die Großmächte nur im Einvernehmen untereinander handeln können, erläuterte der Friedensforscher.

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung seien die Vereinten Nationen aber nicht so macht- und tatenlos, wie es manchmal scheine. Denn im Schnitt beschließe der Sicherheitsrat pro Jahr ca. 60 Resolutionen, die meisten davon einstimmig. Zudem leiste sie sie im Ukrainekrieg und in anderen Krisenherden humanitäre Hilfe. Während sie auf das Kriegsgeschehen also nur bedingt Einfluss nehmen könne, funktioniere sie in anderen Bereichen hingegen gut. Auch ein Blick auf Blauhelmeinsätze in verschiedenen Krisenregionen der Welt, zeige, dass sie die die Chance erhöhten, dass dort anschließend Frieden herrsche, bilanzierte Niemann.
Die dringend benötigten Strukturreformen, um Dauerblockaden durch Veto-Mächte zu verhindern und den Ländern des Globalen Südens mehr Gewicht in den Entscheidungsgremien einzuräumen, waren ebenfalls Thema. Die VN seien ein „behäbiger Tanker“, so Niemann. Wandel sei möglich, aber man sollte nicht zu optimistisch sein. Vermutlich sei der Ansatz der „vielen kleinen Schritte“, am erfolgversprechendsten.

Der nächste HADLEY’s Abendsalon findet am 4. März statt. Dann wird Dr. Regina Heller darüber sprechen, wie der Krieg in der Ukraine Staat und Gesellschaft in Russland verändert hat. Weitere Informationen finden Sie in Kürze hier.