Warum Deutschland mit US-Konservativen über Nuklearwaffen sprechen sollte: IFSH-Kurzanalyse von Dr. Tobias Fella

Dr. Tobias Fella leitet das Forschungsprojekt "Challenges to Deep Cuts" am IFSH. (c) IFSH

Während sich Donald Trump auf seine Rückkehr ins Oval Office vorbereitet, fehlt ein Thema in der deutschen Debatte über die zukünftige Politik des Republikaners: mögliche Veränderungen in der US-Nuklearwaffenstrategie. In Anbetracht der Tatsache, dass sich ein strategischer Rüstungswettlauf zwischen den USA, Russland und China am Horizont abzeichnet und ein Wettrüsten mit konventionellen Mittelstreckenraketen in Europa bereits begonnen hat, ist es von höchster Bedeutung, dass Deutschland aktiv den Dialog mit amerikanischen konservativen Expert:innen und republikanischen Entscheidungsträger:innen zu diesem Thema sucht.

In einer zweiten Trump-Präsidentschaft könnten die Vereinigten Staaten ihre Nuklearstreitkräfte und -infrastruktur ausbauen, hauptsächlich um Chinas nuklearer Aufrüstung zu begegnen. Die Planungsgrundlage könnte lauten, dass die USA mehr Kapazitäten benötigen, um eine vermutete nahezu parallele Aggression von Russland und China abzuschrecken. Zudem wird die Wiederaufnahme von Atomwaffentests diskutiert, ebenso der Ausbau der Raketenabwehr. Die Kosten für die US-Nuklearstreitkräfte wurden vor der Wahl bereits auf etwa 750 Milliarden Dollar bis 2032 geschätzt. Dies könnten nun weiter steigen. Die republikanische Mehrheit, die Trump im Kongress haben wird, könnte es ihm erleichtern, diesen Weg zu verfolgen.

Rüstungskontrolle muss in dieser Kalkulation klar definierten nationalen Interessen dienen. Sie muss Abschreckung stärken. Das Management von Gegnerschaft ist das Ziel, nicht Dialog oder Abrüstung für breit definierte Allgemeingüter wie eine atomwaffenfreie Welt. Wenn Rüstungskontrolle fehlschlägt, dann soll der Gegner in Rüstungswettläufen übertrumpft werden. So zumindest will es das Regierungsprogramm Project 2025 der konservativen Heritage Foundation.

Das Zeitalter der Abrüstung ist vorbei: die Zeichen stehen auf Aufrüstung

Doch es geht auch ohne diesen Kausalzusammenhang. So fordern konservative US-Expert:innen einen Parallelprozess aus nuklearer Aufrüstung und Rüstungskontrollgesprächen mit Russland. Das Ziel könnte sein, dass sich Washington und Moskau auf eine Obergrenze für ihre Nuklearstreitkräfte einigen, die oberhalb der im New START-Vertrag festgelegten Begrenzung von 1550 stationierten Atomsprengköpfen liegt. Ob das gelingt, bleibt ungewiss. Entscheidend ist, dass die Zeichen auf Aufrüstung stehen. Das Zeitalter der Abrüstung ist vorbei. Das anzuerkennen ist eine Grundvoraussetzung für eine wirksame Rüstungskontrollpolitik.

Die deutsche außenpolitische Community tut sich dennoch weiter schwer mit dem Umgang mit den Vereinigten Staaten. Ein erstes Problem ist die Tendenz, US-Präsidenten in Extremen darzustellen – entweder als messianische Figuren (wie Kennedy und Obama) oder als Bösewichte (wie W. Bush und Trump). Es wird übersehen, dass eine robustere US-Nuklearwaffenpolitik auch unter einer Harris- oder Biden-Administration zu erwarten gewesen wäre, inklusive der Ausstattung von Raketen mit zusätzlichen Atomsprengköpfen. Das Ausmaß des nuklearen Aufwuchses könnte aber unter Trump erheblich größer sein.

Ein zweites Problem besteht darin, dass die Gesprächskanäle der deutschen außenpolitischen Community – von Denkfabriken bis zur Politik und den Medien – stark vom traditionellen, demokratischen Mainstream der US-Politik geprägt sind. Dies erschwert es, Verschiebungen im Gravitätszentrum der US-Debatte zu erkennen. Bei der nuklearen Rüstungskontrolle gibt es beispielsweise einen überparteilichen Konsens, sich auf ein dreiseitiges nukleares Wettrüsten mit Russland und China vorzubereiten.

Deutschland und Europa sollten ihre Einschätzungen offensiver vortragen

Ein drittes Problem liegt in einer angenommenen Deckungsgleichheit deutscher, europäischer und amerikanischer Interessen. Sie zeigt sich bei einer Übernahme amerikanischer Forderungen nach Abrüstung ebenso wie nach Aufrüstung. Deutschland und Europa sollten offensiver ihre Einschätzungen vortragen. Eine zweite Trump-Regierung wird vermutlich mehr Macht im Weißen Haus konzentrieren. Das Gewicht intra- und interministerieller Abstimmung wird abnehmen. Dies bietet Chancen, wenn die Bundesregierung ihre Anliegen direkter gegenüber der US-Seite formuliert.

Dazu muss Berlin seine Kontakte zu republikanischen Politiker:innen und konservativen Expert:innen ausweiten, nicht als Geste der Freundschaft, sondern als Notwendigkeit. Die Wissenschaft kann hierbei helfen. Sie verfügt über das theoretisch-methodische Rüstzeug für eine sachgemäße Auseinandersetzung mit den USA. Das unterscheidet sie von vielen Denkfabriken. Hier gilt es anzupacken, für 2025 und darüber hinaus.
 

Dr. Tobias Fella leitet das Forschungsprojekt “Challenges to Deep Cuts” am IFSH und arbeitet im Forschungsbereich Rüstungskontrolle und Neue Technologien