Die Bundesregierung plant die Einrichtung einer Freiheitskommission. Sie soll bei Gesetzesvorhaben im Bereich der Sicherheits- und Kriminalpolitik beraten und prüfen, ob entsprechende Entwürfe mit den grundrechtlichen Freiheiten vereinbar sind. Indem Beratung durch Expert:innen bereits im Entwurfsstadium verankert wird, sollen in Zukunft Fehlentwicklungen verhindert werden. Damit eine solche Kommission dazu beitragen kann, grundrechtliche Freiheiten besser zu schützen, muss sie:

  • bestehende institutionelle Strukturen und Kontrollmechanismen sinnvoll ergänzen, 

  • ein klares Mandat haben, das regelt, was ihre Aufgaben sind, wie sie arbeitet und wie mit ihren Empfehlungen umzugehen ist, und 

  • unabhängig und mit Expert:innen aus unterschiedlichen Fachgebieten besetzt sein. 


Die Ampel-Regierung strebt eine Reform der Sicherheitsgesetzgebung an. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vereinbart, eine „Freiheitskommission“ als „unabhängige[s] Expertengremium“ einzuführen. Als Element einer „vorausschauenden, evidenzbasierten und grundrechtsorientierten Sicherheits- und Kriminalitätspolitik“1 soll diese Kommission Gesetzesvorhaben im Bereich der inneren Sicherheit überprüfen. Damit würde eine neue Instanz in der Sicherheitspolitik geschaffen, die Teil einer breiter angelegten Beratungsarchitektur zur Gesamtbetrachtung des Verhältnisses von Sicherheit und Freiheit ist. Damit die Freiheitskommission ihren Zweck erfüllen kann, muss sie in die bestehenden Kontroll- und Beratungsstrukturen eingebettet sein, ein klares Mandat haben sowie Expert:innen aus unterschiedlichsten Fachgebieten einbeziehen.

DIE PLÄNE DER BUNDESREGIERUNG

Speziell in der Terrorismusbekämpfung sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer mehr Gesetze verabschiedet worden, die der Sicherheit dienen sollen, in der Folge aber auch grundrechtliche Freiheiten beschränkt haben. So wurden die Möglichkeiten für Sicherheitsbehörden ausgeweitet, schon im Vorfeld von potentiellen Straftaten umfassend Daten zu erheben, zu verarbeiten und untereinander auszutauschen. Dabei dringen die Behörden mitunter weit in den privaten Bereich von Bürger:innen ein. So etwa bei der erweiterten Datennutzung nach dem Antiterrordateigesetz. Es verwundert daher nicht, dass das Bundesverfassungsgericht dieses wie auch andere Gesetze im Nachgang als unverhältnismäßig und teilweise verfassungswidrig eingestuft hat.

„GESETZE SOLLTEN SCHON IM ENTWURFSSTADIUM ÜBERPRÜFT WERDEN.“

Auch die Corona-Politik der vergangenen zwei Jahre hat zu Einschränkungen der persönlichen Freiheiten geführt. Die FDP forderte daher im Mai 2020 eine „Freiheitskommission“, die den Gesetzgeber bei der Entwicklung von Maßnahmen der Pandemiebekämpfung kontrollieren soll. Ein entsprechender Antrag im Bundestag blieb jedoch erfolglos. Erst im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung tauchte die Idee wieder auf – hier allerdings im Kontext der Sicherheits- und Kriminalpolitik. Nach den Plänen der Ampel soll die Freiheitskommission bereits im Entwurfsstadium von Gesetzen aktiv werden. Analog zum deutschen Ethikrat oder den „Wirtschaftsweisen“ soll sie als unabhängiges Sachverständigengremium jenseits von Parlament und Regierung angesiedelt sein.

Die Freiheitskommission steht allerdings vor einer dreifachen Herausforderung, um den formulierten Zielen gerecht zu werden: Erstens muss sie institutionell so positioniert sein, dass sie die bereits bestehenden Beratungs- und Kontrollstrukturen ergänzt, und nicht ersetzt. Zweitens muss ihr Mandat so klar formuliert sein, dass ihre Empfehlungen auch tatsächlich Wirkung entfalten. Drittens sollte ein Augenmerk auf ihre Größe und personelle Besetzung gelegt werden, um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten.

ERGÄNZUNG, KEIN ERSATZ

Die Pläne der Bundesregierung treffen auf eine anhaltende Debatte, bei der es um die Frage geht, wer am politischen Entscheidungsprozess beteiligt sein soll und welchen Stellenwert Expert:innengremien darin haben sollten. Bundestagsabgeordnete etwa haben die Befürchtung geäußert, die Freiheitskommission könnte eine „Entparlamentarisierung“ begünstigen und den parlamentarischen Kontrollauftrag beschneiden. Diesen Bedenken können mehrere Argumente entgegengesetzt werden.

Erstens sind die meisten Expert:innengremien des Parlaments nicht auf Dauer angelegt. Öffentliche Anhörungen beispielsweise liefern nur ausgewählte Einschätzungen und diese auch nur in begrenztem Maß. Ein kontinuierlicher Dialog zwischen Expert:innen und Politik und in der Konsequenz ein gemeinsamer Lernprozess finden so nicht wirklich statt. Beides wäre aber wünschenswert, damit die beteiligten Akteur:innen die jeweiligen Herausforderungen und Handlungsgrundlagen besser verstehen und passende Antworten geben können.

Zweitens setzt die derzeitige Kontrolle erst am Ende eines Gesetzgebungsprozesses an. So befasst sich beispielsweise das parlamentarische Kontrollgremium eher mit der Praxis und Umsetzung von Sicherheitsgesetzen. So wichtig diese Gremien sind, können sie doch Fehlentwicklungen nicht verhindern. Die Folgen sind entweder Gesetze, die unwirksam sind, oder in langwierigen Überarbeitungs- und Anpassungsprozessen feststecken.

Insofern ersetzt die Freiheitskommission parlamentarische und gerichtliche Kontrolle nicht, sondern ergänzt sie.

KLARES MANDAT MIT WIRKUNG

Eine wirkungsvolle Freiheitskommission braucht eine Rechtsgrundlage. Auch hier kann der deutsche Ethikrat Orientierung geben. Denn er arbeitet auf der Grundlage eines Gesetzes (EthRG), das seinen Auftrag, seine Kompetenzen, seine Zusammensetzung und seine Arbeitsweise klar definiert. Ein weiteres Vorbild könnte der australische „Independent National Security Legislation Monitor“ sein. Der Beauftragte überprüft die Verhältnismäßigkeit der nationalen Anti-Terror-Gesetze. Auch er agiert auf der Grundlage eines Gesetzes. Anders der „Independent Reviewer of Terrorism Legislation“ im Vereinigten Königreich. Ihm fehlt ein einheitlicher und klarer Rechtsrahmen. Dies führt dazu, dass die Kontrollverfahren wie auch die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen.2

„UNABHÄNGIGKEIT UND EIN BREITES FACHWISSEN SIND WICHTIG.“

Entscheidend ist zudem, wie verbindlich die Empfehlungen der Freiheitskommission sind. In allen oben genannten Fällen besteht eine Berichtspflicht. Die Regierungen sind jedoch nicht verpflichtet, auf die Berichte zu reagieren. So besteht immer die Gefahr, dass die Empfehlungen ignoriert werden oder wirkungslos bleiben. Das Mandat der Freiheitskommission sollte daher über die reine Berichtspflicht hinausgehen und den Gesetzgeber verpflichten, eine Stellungnahme abzugeben. Weicht der Gesetzgeber von den Empfehlungen der Freiheitskommission ab, sollte er dies begründen müssen.

PERSONELLE UNABHÄNGIGKEIT UND BREITE BETEILIGUNG

Die Freiheitskommission sollte personell wie fachlich breit aufgestellt sein, um ihre Unabhängigkeit zu garantieren. Insofern ist eine Kommission dem australischen und britischen „Beauftragten“-Modell vorzuziehen, das sich auf einen einzelnen Sachverständigen beschränkt. Trotz offener und partizipativer Auswahlverfahren in den beiden Ländern entscheiden am Ende allein die Regierungen über die Besetzung.

Der deutsche Ethikrat hingegen besteht aus 26 Mitgliedern, die weder einem Parlament noch einer Regierung angehören dürfen. Sie werden jeweils zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestags und der Bundesregierung berufen. Ein solches Auswahlverfahren stärkt nicht nur die Unabhängigkeit des Gremiums, sondern bringt auch die Interessen der Exekutive und der Legislative zusammen. Eine ähnliche Struktur wäre auch für die Freiheitskommission wünschenswert.

Auch die große Anzahl der Mitglieder hat Vorteile. Denn so kann unterschiedliches Fachwissen abgebildet werden. Wenn die Freiheitskommission in ähnlicher Weise Expert:innen aus den Bereichen Justiz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einschließt, kann sie neben verfassungsrechtlichen auch breitere gesellschaftliche Folgen von Gesetzesvorhaben in den Blick nehmen.

FAZIT

Die Pläne der Bundesregierung für eine Freiheitskommission sind zu begrüßen. Mit der richtigen institutionellen Einbettung, einem klaren Mandat und breiter Besetzung kann sie als Instanz unabhängiger Kontrolle dabei helfen, die Qualität von Sicherheitsgesetzen zu verbessern und die Freiheit zu sichern – auch oder gerade in unsicheren Zeiten eine zentrale Aufgabe.