Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt stehen die innere Sicherheit und der Kampf gegen den Terrorismus wieder weit oben auf der politischen Agenda. Die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar verstärkt diese Dynamik weiter. Vertreter:innen verschiedener Parteien fordern erneut erweiterte Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und ein hartes Durchgreifen. Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder etwa rief eine „Zeitenwende für die innere Sicherheit“ aus und verlangte schärfere Sicherheitsgesetze. Zu den aktuell diskutierten Maßnahmen gehören dabei etwa eine anlasslose IP-Adressenspeicherung oder die Nutzung von Technologien zur automatisierten Gesichtserkennung. Bereits in Reaktion auf die tödlichen Messerangriffe von Mannheim und Solingen hatte die Ampel-Koalition im Herbst 2024 ihr sogenanntes „Sicherheitspaket“ vorgelegt, das unter anderem Verschärfungen im Asyl- und Waffenrecht sowie neue Befugnisse der Sicherheitsbehörden zum Abgleich großer Datenmengen vorsieht. Zuvor hatten im Sommer 2024 unter anderem führende Innenexpert:innen von Bündnis 90/Die Grünen eine „Zeitenwende auch im Innern“ angemahnt.
Die Diskurse folgen wieder ihren alten Mustern - angefeuert vom Druck durch autoritäre und populistische Kräfte
Seit der letzten Bundestagswahl 2021 hat sich die Richtung der Debatte somit erkennbar gedreht. Gleichzeitig wiederholen sich altbekannte Muster. Immer wieder wurden nach Gewalttaten in übereilten, eher symbolischen Debatten wenig zielgerichtete Maßnahmenpakete gefordert. Bestehende Instrumente wurden unterdessen kaum ernsthaft auf ihre Wirksamkeit überprüft, während zeitlich befristete Befugnisse letztlich ohne größere Diskussion in dauerhaftes Recht überführt wurden. So etwa viele der Anti-Terror-Maßnahmen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet worden waren. 20 Jahre nach „9/11“ waren daher Forderungen nach einem Neustart in der Sicherheitsgesetzgebung laut geworden. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich die Ampel-Parteien auf „eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik“. Die dazu vorgesehenen Schritte wie etwa eine „Überwachungsgesamtrechnung“, die die bestehenden Befugnisse erfassen und überprüfen sollte, oder die Einrichtung einer „Freiheitskommission“, die neue Gesetze vor ihrer Verabschiedung begutachten sollte, sind allerdings weitgehend im Sande verlaufen oder konnten bisher nicht abgeschlossen werden. Nun nach drei Jahren folgen die Diskurse zur inneren Sicherheit wieder ihren alten Mustern. Der Druck autoritärer und populistischer Kräfte befördert diese Dynamik noch weiter.
Zusammenarbeit und Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden stärken
Es ist notwendig, dass Politik und Sicherheitsbehörden auf neue Entwicklungen reagieren, deren Hintergründe aufarbeiten und dabei auch mögliche Fehler und Gesetzeslücken identifizieren. Dies kann durchaus bedeuten, dass ein Bedarf an neuen oder angepassten Maßnahmen erkennbar wird. Die Diskussion sollte sich aber nicht zu sehr von jüngsten Ereignissen treiben lassen, sondern sich an den Erfahrungen der Vergangenheit orientieren. Die Verhinderung von Anschlägen scheiterte in den meisten Fällen daran, dass vorhandene Erkenntnisse zwischen verschiedenen Behörden und Ebenen nicht weitergeleitet wurden oder die Ermittler:innen die komplexen, vielgestaltigen Motive und Hintergründe potenzieller Täter:innen falsch einschätzten. Die regelmäßig eingeforderte verdachtsunabhängige Speicherung und Auswertung immer größerer Datenmengen ist daher nur ein bedingt geeignetes Mittel, um mehr Sicherheit zu schaffen. Vielmehr wäre es notwendig, die Analysefähigkeiten der Sicherheitsbehörden zu verbessern und die praktische Präventionsarbeit weiter zu stärken. Die neue Bundesregierung sollte zudem bereits angestoßene Schritte wie die Evaluierung der Sicherheitsgesetzgebung zu Ende führen, ihre Ergebnisse entsprechend berücksichtigen und diese langfristig institutionalisieren.
PD Dr. Hendrik Hegemann ist Wissenschaftlicher Referent im Forschungsbereich Gesellschaftlicher Frieden und Innere Sicherheit und erforscht, wie liberale Demokratien mit transnationalen Sicherheitsrisiken und multiplen Krisen umgehen. Unter anderem leitete er den BMBF-geförderten Projektverbund „Zusammenhalt durch Sicherheit? (ZUSE)“.